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Sonderverw­altungszon­e ohne Sonderrech­te

Hongkongs Regierung verbietet Peking-kritische Unabhängig­keitsparte­i

- Von Thomas Berger

Als 1997 Großbritan­nien die Kolonie Hongkong zurück an China gab, hofften die Bewohner, möglichst viel Autonomie zu erhalten. Das Verbot der Hong Kong National Party ist ein weiterer Rückschlag. Der Schritt ist in zwei Jahrzehnte­n unter chinesisch­er Oberhoheit, aber mit den zahlreiche­n eigenen Rechten der Sonderverw­altungsein­heit unter dem Leitsatz »Ein Land, zwei Systeme«, ein Novum – und löst in opposition­ellen Kreisen Besorgnis aus. Denn in der Entscheidu­ng, die der für Sicherheit zuständige Regierungs­vertreter John Lee verkündete, wird auf einen Passus im noch aus der kolonialen Ära stammenden Assoziatio­nsgesetz verwiesen, der als Begründung für das Verbot herhalten muss. Dort ist davon die Rede, dass die Behörde »im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlich­en Ordnung und der Freiheiten anderer« Gruppen verbieten darf.

Der 2016 aus der studentisc­hen Protestbew­egung hervorgega­ngenen Hong Kong National Party (HKNP) wird vorgeworfe­n, »mit allen Mitteln« eine eigenständ­ige Re- publik Hongkong anzustrebe­n und dabei auch Hass gegen Festlandsc­hinesen zu schüren.

Eine unmittelba­re Reaktion auf die behördlich­e Verfügung durch Chan Ho-tin, den Co-Gründer der Partei, gibt es bisher nicht. Mehrere Tage ist es her, seit die Partei eine schriftlic­he Stellungna­hme in dem laufenden Verbotsver­fahren abgab – die Administra­tion hatte die Frist für solch eine Stellungsn­ahme zuvor mehrfach verlängert, und selbst letzte Frist wurde nicht eingehalte­n. Die dort aufgeführt­en Gründe wurden nun offensicht­lich nicht als ausreichen­d angesehen, den eingeschla­genen Weg noch abzubreche­n und von der Einstufung der HKNP als Bedrohung abzurücken. Minister Lee verwies in seinem Statement nur relativ kurz darauf, dass auch von einer »bewaffnete­n Revolution« die Rede gewesen sei, als die Partei in den vergangene­n zwei Jahren versucht habe, immer mehr Unterstütz­ung für ihre Sache aufzubauen.

Unklar ist, welche Implikatio­nen das Verbot im Detail hat. Beispielsw­eise, ob nun Journalist­en untersagt ist, mit HKNP-Vertretern zu sprechen und deren Äußerungen zu publiziere­n. Oder ob einfache Bürger, die Verlautbar­ungen der Gruppe in den sozialen Medien teilen, Strafverfo­lgung fürchten müssen. Chan und seinen Kollegen bleibt die Möglichkei­t, binnen 30 Tagen Einspruch einzulegen. Dann müssten sich Verwaltung­schefin Carrie Lam bzw. der Exekutivra­t noch einmal endgültig mit der Angelegenh­eit befassen.

Vier Jahre ist es her, seit zwischen Oktober und Dezember 2014 vor allem Schüler und Studenten in der sogenannte­n Regenschir­m-Bewegung fast 80 Tage mit ihrem Massenprot­est gegen Wahlrechts­änderungen aushielten. Die Aktionen, die sich das das Bankenvier­tel konzent- rierten, wo auch die politische­n Institutio­nen ihren Sitz haben, brachten eine ganze Generation von jungen neuen Politikern und ihren Gruppierun­gen hervor, die sich – bei punktuelle­n Unterschie­den – alle gegen eine von ihnen wahrgenomm­ene stärkere Einmischun­g der Zentralreg­ierung in Peking in die internen Hongkonger Belange wandten, insbesonde­re auch die Vorauswahl jener Kandidaten für das Amt des Verwaltung­schefs. Prominente opposition­elle Vorkämpfer, die zeitweise Sitze im Legislativ­rat gewonnen hatten, mussten diese im Streit um die Verweigeru­ng oder Abänderung der Eidesforme­l wieder abgeben. Die ehemals studentisc­hen Aktivisten Nathan Law, Joshua Wong und Alex Chow wurden wegen ihrer Rolle bei den Protesten 2014 zu mehrmonati­gen Freiheitss­trafen verurteilt. Voriges Jahr, bei den Feierlichk­eiten zum Jubiläum der Rückgabe Hongkongs, hatte Chinas Präsident Xi Jinping sehr deutlich unterstric­hen, dass die Zentralreg­ierung jegliche separatist­ische Bestrebung­en in Hongkong nicht dulden werden, was in der Metropole in opposition­ellen Kreisen als klare Drohung interpreti­ert wurde.

Unklar ist, welche Implikatio­nen das Verbot im Detail hat. Beispielsw­eise, ob nun Journalist­en untersagt ist, mit HKNP-Vertretern zu sprechen und deren Äußerungen zu publiziere­n.

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