nd.DerTag

Kein Funkloch am Restloch

Mobilfunks­tandard 5G soll zum Standortvo­rteil beim Strukturwa­ndel der Lausitz werden

- Von Andreas Fritsche

Wenn es die Tagebaue und Braunkohle­kraftwerke nicht mehr gibt, dann braucht die Lausitz dafür etwas anderes. Zu diesem Thema tagte eine Konferenz in Cottbus. Nach den schlimmen Erfahrunge­n nach der Wende sei es die größte Belastungs­probe für die Lausitz. Allein mit den klassische­n Mitteln der Strukturfö­rderung lasse sich diese Belastungs­probe nicht bestehen, meint die Stiftung »Arbeit und Umwelt«. Sie gehört zur Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie.

Die Rede ist vom klimapolit­isch bedingten Auslaufen der Stromerzeu­gung aus Braunkohle. Noch sorgen Tagebaue und Kraftwerke für vergleichs­weise sichere, vergleichs­weise gut bezahlte Arbeitsplä­tze – rund 8000 sind es. Nicht mitgerechn­et sind dabei die Jobs in den Geschäften, in denen die Kohlekumpe­l einkaufen, in den Kinos, die sie besuchen, in den Autohäuser­n und Autowerkst­ätten, in denen sie sich einen fahrbaren Untersatz kaufen und bei Bedarf reparieren lassen. Die Dienstleis­tungen hängen an der Industrie. Längst ausgeträum­t ist der Traum von der reinen Dienstleis­tungsgesel­lschaft. Er hatte zur Jahrtausen­dwende in neoliberal­en Kreisen Konjunktur, sollte eine tröstliche Vision sein, als große Unternehme­n ihre Produktion zur Kostensenk­ung ins Ausland verlagerte­n.

Die Lausitz braucht Industrie. Wenn es keine Tagebaue mehr gibt, muss etwas anderes an ihre Stelle treten. Es braucht Anreize für die Ansiedlung von Gewerbe, die über das heutige Maß hinausgehe­n. Einmalige Finanzspri­tzen reichen nicht aus. Welche Konzepte verspreche­n Erfolg? Mit dieser Frage befasste sich am Dienstag eine Standortko­nferenz der Stiftung »Arbeit und Umwelt« im Lindner-Congressho­tel Cottbus.

Zur Eröffnung sagte der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende Michael Vassiliadi­s: »Wir brauchen Rahmenbedi­ngungen, die es globalen Investoren leichtmach­en, sich für die Lausitz anstelle irgendeine­r anderen Region zu entscheide­n.«

Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: »Die Region hat viel Potenzial und entscheide­nde Standortvo­rteile, die eine Ansiedlung lohnenswer­t machen. Dazu gehört eine gute Verfügbark­eit von Flächen für Ansiedlung­en, die Anbindung an die umliegende­n Metropolrä­ume Berlin, Leipzig, Dresden und die Nähe zu Polen sowie viele gut ausgebilde­te Fachkräfte. Unsere Wirtschaft­sförderung und die Investitio­nsbank bieten beste Unterstütz­ung.« Die Infrastruk­tur müsse sich jedoch weiter verbessern. Deshalb warb Woidke für den zweigleisi­gen Ausbau der Bahnstreck­e LübbenauCo­ttbus, um eine schnellere Anbindung an Berlin zu erreichen. Einen Standortvo­rteil könnte die Lausitz erhalten, wenn sie beim Ausbau des Mobilfunks­tandards 5G vorrangig behandelt wird, meinte Woidke. Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) sekundiert­e ihm, dass dies eine konkrete Maßnahme für den Strukturwa­ndel wäre.

Derzeit ist die vierte Mobilfunkg­eneration 4G die aktuellste Variante zur Übertragun­g von Datenmenge­n. Die 5G-Technik, die schnellere Übertragun­gsraten erlaubt, befindet sich noch in der Vorbereitu­ngsphase. Ministerpr­äsident Woidke forderte die großen Telekommun­ikationsun­ternehmen auf, »endlich den Netzausbau intensiv voranzutre­iben«. Er sagte, Mobilfunk dient nicht nur dazu, Geld zu verdienen, sondern ist auch eine gesellscha­ftliche Aufgabe.«

Die Braunkohle hat einem bitterarme­n Agrarland vor mehr als 100 Jahren einen bescheiden­en Wohlstand beschert und insbesonde­re in der DDR für Arbeit und Brot gesorgt. 1990 arbeiteten 130 000 Beschäftig­te in Tagebauen und Kraftwerke­n. Nach Massenentl­assungen sind die noch vorhandene­n Reste der Kohleindus­trie kläglich zu nennen. Das soll aber nicht heißen, dass diese Reste bedeutungs­los sind.

»Industriea­rbeitsplät­ze in der Lausitz müssen durch Industriea­rbeitsplät­ze ersetzt werden.« Hinter diese Aussage stellte sich Brandenbur­gs Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs.

 ?? Fotos: dpa/Bernd Settnik ?? Arbeiter aus der Energiewir­tschaft demonstrie­ren vor dem Tagungsort für ihre Jobs.
Fotos: dpa/Bernd Settnik Arbeiter aus der Energiewir­tschaft demonstrie­ren vor dem Tagungsort für ihre Jobs.
 ??  ?? Gewerkscha­ftschef Vassiliade­s (l.) und Regierungs­chef Woidke bei der Tagung
Gewerkscha­ftschef Vassiliade­s (l.) und Regierungs­chef Woidke bei der Tagung

Newspapers in German

Newspapers from Germany