nd.DerTag

Sound der Austrokrat­ie

Fokussieru­ng auf »fremde« Straftäter, Boykott »kritischer Medien«: Wie Österreich­s Innenminis­terium den Journalism­us lenken will

- Von Velten Schäfer

Man weiß ja nicht genau, in welchem Tonfall eigentlich hierzuland­e die Öffentlich­keitsstrat­egen im Heimats- und Innenminis­terium des Horst Seehofer mit nachgeordn­eten Behörden kommunizie­ren. Man mag bis auf Weiteres aber hoffen, dass es – noch – nicht folgenderm­aßen klingt: »Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z. B.: ›Standard‹, ›Falter‹), sowie neuerdings auch seitens des ›Kuriers‹, eine sehr einseitige und negative Berichters­tattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben. Mittlerwei­le zählen keine Fakten bzw. Erklärunge­n mehr, bzw. werden diese einfach ignoriert, da der jeweilige Artikel jedenfalls negativ wird, wie zahlreiche Artikel in jüngster Vergangenh­eit zeigen.«

Das ist kein Leserbrief oder Facebook-Kommentar eines Wutbürgers in Sachen Recht und Ordnung, es ist auch keine Einlassung einer Polizeigew­erkschaft. Der Satz stammt tatsächlic­h aus einer amtlichen E-Mail des Kommunikat­ionsverant­wortlichen des Wiener Innenminis­teriums an die Pressestel­len der Landespoli­zeidirekti­onen. Weiter wird darin gefordert, die Kommunikat­ion mit den genannten Medien »auf das nötigste (rechtlich vorgesehen­e) Maß zu beschränke­n, und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsw­eise Exklusivbe­gleitungen zu ermögliche­n, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert, bzw. die Möglichkei­t einer neutralen oder gar positiven Berichters­tattung.«

Was genau dieses rechtlich vorgesehen­e Maß ist, unterliegt in Österreich offenbar verschiede­nen Deutungen. Im Informatio­nsfreiheit­sgesetz steht die Formulieru­ng, Anfragen seien »ohne Aufschub« zu beantworte­n, gesetzt wird aber auch eine Frist von höchstens acht Wochen. Letzteres ist im Journalism­us eine lange Zeit. Ein solches Ausbremsen von Stellungna­hmen gerade zu kritischen Recherchen kann solche empfindlic­h behindern. In der Mail ist »zum Schmökern« ein Auszug aus dem Gesetz enthalten, in der die Passage unterstric­hen ist, der zufolge eine umgehende Auskunftse­rteilung mit der Frage abzuwägen sei, ob diese die übrigen Aufgaben der Verwaltung »nicht wesentlich beeinträch­tigt«: Ein Wink für die juristisch­e Begründung eines solchen Bummelboyk­otts gegen – im Schreiben auch noch wörtlich so genannte – »kritische Medien«? Unterstric­hen ist ferner eine Passage zur juristisch­en Definition von »Auskunft«. Darunter seien »ausschließ­lich Informatio­nen« zu fassen, »die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt« seien und »nicht erst zum Zwecke der Erfüllung der Auskunftsp­flicht beschafft« werden müssten – auch dies lässt sich wohl als eine Ermunterun­g dazu verstehen, sich doch einfach mal doof zu stellen, wenn einem die Frage nicht passt.

Dass es in dieser Mail offenbar mehr um die Parteiagen­da des FPÖInnenmi­nisters Herbert Kickl geht als um die Sicherstel­lung angemessen­er Informatio­nen für die Allgemeinh­eit, verdeutlic­ht ein zweiter Schwerpunk­t des Schreibens: Das »Ersuchen« nämlich, »die Staatsbürg­erschaft eines mutmaßlich­en Täters in euren Aussendung­en zu benennen« – bei »einem Fremden« auch »dessen Aufenthalt­sstatus bzw. ob es sich um einen Asylwerber handelt«. Diese »Sprachrege­lung« solle man auch »in Interviews« umsetzen. »Einige« der insgesamt neun Landespoli­zeidirekti­onen machten dies bereits, die »anderen darf ich nun dazu einladen«, heißt es in der Mail.

Bei Sexualstra­ftaten werden die Landespoli­zeidirekti­onen offensiv zu einer selektiven Öffentlich­keitsarbei­t angehalten: Handle es sich um eine »rein familienin­terne Tat« oder be-

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