Mehr Kooperation soll es mit Medienformaten geben, bei denen »die Themen im Studio von uns bestimmt werden können«.
stünden datenschutzrechtliche Bedenken, könne »selbstverständlich nach wie vor von einer Veröffentlichung abgesehen werden«. Doch, so das Schreiben weiter, »darf ich euch bitten, vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden« oder »besondere Modi Operandi (z. B. antanzen)« aufwiesen, »auch proaktiv« zu publizieren. Die Mail gibt sogar ei- nen Tipp zur Umgehung opferschutzrechtliche Hindernisse: Man könne »beispielsweise nur den Bezirk« nennen, wenn etwa die Ortschaft des Vorfalls so klein sei, dass aus einem Bericht die Identität des Opfers hervorginge. Da auch in Österreich die allermeisten Sexualstraftäter aus dem Umfeld des Opfers kommen, wird das Befolgen dieser »Einladung« die öffentliche Wahrnehmung von Sexualdelikten zuungunsten von »Fremden« verzerren.
Mehr Kooperation soll es hingegen mit Medienformaten geben, bei denen »die Themen im Studio von uns bestimmt werden können«. Genannt wird eine derzeit unter dem Arbeitstitel »Live PD« in Produktion befindliche Dokutainment-Serie des Privatsenders ATV, die das Ministerium als »imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit« klassifiziert.
Immerhin ist diese vertraulich gedachte Mail an die Öffentlichkeit gelangt. Einige SPÖ-Politiker, etwa der Kärntner Landeshauptmann und Landesparteichef Peter Kaiser und die SPÖ-Vorsitzende in Oberösterreich, Birgit Gersthofer, legen Kickl nun den Rücktritt nahe, auch die liberale Oppositionspartei NEOS fordert das. Bruno Rossmann, Fraktionschef der ex-grünen »Liste Pilz« spricht von einer »Orbanisierung« der österreichischen Politik.
In der weitgehend auf den Namensgeber ausgerichteten »Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)« hingegen dröhnt das Schwei- gen. Kurz selbst reagierte, wie in solchen Fällen üblich, mit einem recht allgemeinen Bekenntnis zur Pressefreiheit, deren Einschränkung »nicht akzeptabel« sei – aber ohne eine explizite, gar namentliche Kritik an seinem Minister. Und das ist für den FPÖ-Hardliner entscheidend.
Die Einlassung seines Ministeriums ist jedenfalls von Problembewusstsein frei. Neben der unglaubwürdigen Behauptung, Kickl habe von der Mail seines Mitarbeiters Christoph Pölzl nichts gewusst, wird das Schreiben verteidigt: Die Nennung der Nationalität von Straftätern diene der »Transparenz« – und der Quasiboykott der drei Qualitätsblätter basiere auf »teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI«. Die Presse dürfe an diesem »selbstverständlich« Kritik üben, doch hätten dessen Mitarbeiter »ebenso das Recht«, sich von der »Berichterstattung ein Bild zu machen und daraus qualitative Schlüsse zu ziehen«.
Und die Medien? Sie sind gespalten. Von einer einstimmigen Solidarisierung ist keine Spur. Die mächtigen Boulevardblätter »Kronenzeitung« und »Österreich« berichten zwar von der »erwartungsgemäßen« (»Kronenzeitung«) Aufregung der SPÖ, machen aber eine relativierende Gegenrechnung auf: Schließlich habe der damalige SPÖ-Kanzler Christian Kern 2017 auch versucht, bestimmte Medien, darunter das ORF-Fernsehen, zu »boykottieren«. Das ist zwar richtig und zeugt von der schlechten Beratung des unglücklichen Kanzlers. Doch ging es dabei um Interviews und persönliche Auftritte – nicht um eine Anweisung an eine Exekutivbehörde, Medien flächendeckend ungleich zu behandeln.
Propaganda? Gängelung? Ach, geh’! Die einen sagen so und die anderen so: Das ist der Sound der Austrokratie, in die sich die Alpenrepublik zu verwandeln scheint.