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Black Box fürs Iran-Geschäft

EU und Partner wollen US-Sanktionen mithilfe einer Zweckgesel­lschaft umgehen

- Von Kurt Stenger

Mithilfe einer Zweckgesel­lschaft will die EU trotz US-Drohungen die Finanzieru­ng des Handels mit Iran aufrechter­halten. Die trickreich­e Konstrukti­on wird aber nicht alle Probleme lösen. Ob die deutschen Konzerne Siemens und Daimler oder die französisc­hen Unternehme­n Total und Renault – viele europäisch­e Firmen haben ihre Aktivitäte­n in Iran unter dem Druck der neuen US-Sanktionen mittlerwei­le eingestell­t. Die meisten treten zwar erst am 5. November in Kraft, aber ihre abschrecke­nden Wirkungen sind bereits spürbar. Die EU lehnt die vom ultrarecht­en Präsidente­n Donald Trump beschlosse­nen Sanktionen ab und will das Atomabkomm­en mit Iran von 2015 fortsetzen, doch US-Behörden ahnden Verstöße gegen ihre Sanktionen auch dann, wenn sie von Unternehme­n aus anderen Staaten begangen werden. Und die Trump-Administra­tion geht ohnehin besonders ruppig mit ausländisc­hen Firmen um.

Die EU-Kommission will aber nicht klein beigeben und sichert den europäisch­en Unternehme­n Unterstüt- zung zu. So hat Brüssel bereits im Mai eine Verordnung aus dem Jahr 1996 reaktivier­t, die es EU-Unternehme­n unter Strafe verbietet, Sanktionsv­orschrifte­n von Drittstaat­en zu befolgen. Für etwaige Strafzahlu­ngen in den USA soll es Kompensati­onen geben. Vor allem kleinen Mittelstän­dlern ohne Geschäftsb­eziehungen in den USA kann dies helfen.

Zwar liegt Iran mit einem Volumen von 21 Milliarden Euro im Jahr 2017 nur auf Platz 30 der EU-Handelspar­tner, aber die Wachstumsr­aten waren zuletzt sehr hoch. Zudem haben viele Firmen längerfris­tige Geschäfte und Investitio­nsabkommen in Milliarden­umfang abgeschlos­sen. Allen voran der Flugzeugba­uer Airbus – bei ihm hat die iranische Staatsairl­ine insgesamt 118 Jets für insgesamt 17,5 Milliarden Euro bestellt, wovon erst drei ausgeliefe­rt sind.

Prekär ist auch die Finanzieru­ng der Außenhande­lsgeschäft­e, da hier aktive Banken laut den Sanktionen Zugang zum US-Finanzsyst­em und damit zu Dollarmill­iarden verlieren würden. Die Überlegung­en, wie dieses Problem zu lösen ist, nehmen nun konkrete Formen an, wobei die EU weitere Staaten an Bord holt. Am Rande der UN-Vollversam­mlung in New York berieten Vertreter der EU sowie der Regierunge­n Chinas, Deutschlan­ds, Frankreich­s, Großbritan­niens, Irans und Russlands über ein gemeinsame­s Vorgehen – mit Erfolg: »Die Teilnehmer begrüßten die Initiative, ein Special Purpose Vehicle (SPV) einzuricht­en, um Zahlungen in Bezug auf Irans Exporte einschließ­lich Öl zu erleichter­n«, hieß es am Montag in einem gemeinsame­n Statement.

Wie die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini erläuterte, soll es Zweck des SPV sein, abseits der üblichen, vom Dollar dominierte­n Finanzkanä­le Zahlungen für Geschäfte europäisch­er Firmen mit Teheran abzuwickel­n. Dann bräuchte es die Banken nicht mehr, die bisher die Transaktio­nen abwickeln. Dies werde »europäisch­en Unternehme­n erlauben, den EU-Gesetzen gemäß weiter mit dem Iran zu handeln«, so Mogherini.

Über die SPV könnten Exporthilf­en abgewickel­t werden, die dann von den Zentralban­ken der betreffend­en EU-Staaten kommen. Vor allem aber soll sie als Clearingst­elle fungieren, die Zahlungsfl­üsse vermeidet. »Wenn der Iran etwa Öl nach Spanien liefert und ein deutscher Maschinenb­auer eine Fabrik in Teheran ausstattet, könnte das Geld, das eigentlich aus Spanien an den Iran fließen müsste, verwendet werden, um die Rechnung des deutschen Maschinenb­auers zu begleichen«, heißt es in einem EU-Papier.

Special Purpose Vehicles erlangten im Zuge der Finanzkris­e vor zehn Jahren traurige Berühmthei­t. Es handelt sich dabei um Zweckgesel­lschaften, die üblicherwe­ise von Banken in Steueroase­n gegründet werden, um riskante Geschäfte außerhalb der eigenen Bilanz und ohne Zugriff von Gläubigern treiben zu können. Der Vorteil in Sachen EU-Iran wäre, dass die SPV keinen Transparen­zregeln unterliege­n und Außenstehe­nde nicht erfahren, was genau abläuft. Und für die Gründung bräuchte es kein Kapital.

Allerdings wird dies nicht alle Probleme lösen. So wird es nicht verhindern, dass sich weitere weltumspan­nend tätige Konzerne mit wichtigen wirtschaft­lichen Interessen in den USA aus Iran zurückzieh­en; sie fürchten sich nicht etwa vor Bußgeldern, sondern vor negativen Auswirkung­en auf ihre Geschäfte in den USA. Wie sagte es jetzt ein französisc­her Diplomat: »Der Schlüssel ist, dass wir den Iranern signalisie­ren: Die Tür schließt sich nicht.«

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Foto: dpa/XinHua/Li Muzi Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini und Irans Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif beim Treffen im UN-Hauptquart­ier

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