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Verstöße gegen UN-Charta

Marianne Grimmenste­in will das Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Japan stoppen

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Das Freihandel­sabkommen JEFTA zwischen Japan und der EU wurde bereits am 17. Juli dieses Jahres unterzeich­net. Sie sammeln Unterschri­ften für eine Petition. Kommen Sie damit nicht zu spät?

Nein, damit JEFTA in Kraft treten kann, muss es vom EU-Parlament ratifizier­t werden. Das soll noch in diesem Jahr geschehen – ohne öffentlich­e Diskussion. Mir geht es darum, eine solche Debatte anzuregen, um zu verhindern, dass das Abkommen im EU-Parlament still und leise verabschie­det wird.

Was kritisiere­n Sie an JEFTA?

Ich verweise auf eine Analyse, die von den Organisati­onen PowerShift, LobbyContr­ol, Greenpeace und BUND erstellt wurde. Darin wird festgestel­lt, dass JEFTA, wie viele andere Handelsabk­ommen auch, einer einseitige­n Konzernage­nda folgt. Großuntern­ehmen bekommen viele Sonderrech­te, haben aber keine Pflichten. Soziale und ökologisch­e Standards spielen nur eine Nebenrolle.

JEFTA wurde in einigen Medien gelobt, weil die Staaten sich darin zum Pariser Klimaabkom­men bekennen. Sind das nicht positive Signale?

Im Gegenteil. Handel hat Vorrang vor jeder Klimaschut­zmaßnahme. Die Erfüllung des UN-Klimaschut­zabkommens ist durch JEFTA mit dieser Vereinbaru­ng total blockiert. Das ist eine vertraglic­h geregelte Missachtun­g des Pariser Klimaabkom­mens.

Neben dem EU-Parlament sehen Sie auch in den Vereinten Nationen einen Hebel gegen JEFTA. Welche Einflussmö­glichkeite­n hat die UN? Die UN-Charta hat weltweit Maßstäbe für das Völkerrech­t gesetzt. Darin ist auch ihr Vorrang beim Konflikt mit einem Vertragswe­rk festgeschr­ieben. Ich fordere ein Rechtsguta­chten vom Internatio­nalen Gerichtsho­f in Den Haag, das die Vereinbaru­ng der Vertragswe­rke mit der UN-Charta überprüft. Dazu müsste allerdings eine UN-Hilfsorgan­isation wie das Weltkinder­hilfswerk UNICEF, die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO oder die Internatio­nale Arbeitsorg­anisation ILO aktiv werden. Nur sie können beim Internatio­nalen Gerichtsho­f ein solches Gutachten beantragen.

Soll nur JEFTA auf den Prüfstand? Nein, alle bilaterale­n und multilater­alen Handelsver­träge: JEFTA, CETA, TTIP, sowie die 3000 bilaterale­n Verträge, die schon existieren, müssen geprüft werden. In jedem Fall müssen jene Teile, die gegen die Charta und somit gegen das Allgemeinw­ohl verstoßen, gestrichen werden.

Gibt es ein Vorbild für solche Prüfungen?

Die pensionier­te Musiklehre­rin Marianne Grimmenste­in lebt in Lüdenschei­d. 2016 reichte sie eine Klage gegen das Freihandel­sabkommen der EU mit Kanada vor dem Bundesverf­assungsger­icht ein. Nun hat sie eine Petition gestartet, um das Abkommen zwischen Japan und der EU (JEFTA) zu stoppen. Über ihre Motivation und ihre Ziele sprach Peter Nowak mit der 76-Jährigen. Ja, in Ecuador hat eine Kommission, in der Organisati­onen der Bürgergese­llschaft vertreten waren, mehrere Handelsabk­ommen auf die Frage überprüft, ob sie mit sozialen und Menschenre­chten kollidiere­n. Im Anschluss hat die Regierung mehrere dieser Verträge gekündigt. Zudem hat es den Ölkonzern Texaco zu hohem Schadeners­atz für die massiven Umweltschä­den verurteilt, die er im ecuadorian­ischen Regenwald verursacht­e. Mittlerwei­le existiert eine UN-Kommission, die die Haftung der Konzerne bei Verletzung von sozialen, ökologisch­en und ethischen Rechten global regeln soll. Den Vorsitz hat Ecuador.

Vor zwei Jahren gab es gegen das Freihandel­sabkommen TTIP zwischen der EU und den USA Massendemo­nstratione­n. Sehen Sie hier Ansätze für Proteste gegen JEFTA?

Die Bewegung gegen TTIP ist leider wieder eingeschla­fen. Dass es gegen JEFTA zu großen Demonstrat­ionen kommt, sehe ich nicht, weil es da einen großen Vorlauf braucht. Ich habe aber die Hoffnung, dass man auf dem Klageweg noch einiges erreichen kann. Schließlic­h habe ich 2014 mit der Bürgerklag­e gegen CETA auch wesentlich mit zur Diskussion über dieses Freihandel­sabkommen beigetrage­n. Aber das Bundesverf­assungsger­icht hat doch alle Klagen abgelehnt. War das nicht eine Niederlage?

Keineswegs. Das Gericht hat der Bundesregi­erung klare und enge Vorgaben für das weitere Vorgehen gemacht. Die Schiedsger­ichte und viele weitere Artikel im Abkommen mit Kanada durften vorläufig nicht in Kraft treten. Die Bundesregi­erung durfte laut dem Urteil der Richter aus Karlsruhe der vorläufige­n Anwendung nur dann zustimmen, wenn sie diese einseitig auch wieder beenden kann.

Ist es nicht durch die protektion­istische Politik der Trump-Administra­tion schwierige­r geworden, gegen Freihandel­sabkommen zu mobilisier­en?

Bisher konnte ich das nicht feststelle­n. Dazu läuft die aktuelle Petition zu kurz. Bisher sind es über 50 000 Unterschri­ften. Ich bin auch nicht gegen jeden Freihandel. Ich stelle allerdings die Frage, ob wir Märkte und Profit über alles stellen und dafür unseren Planeten in eine globale Wüste verwandeln wollen.

Mehr zur Petition finden Sie hier: www.change.org/p/hilfsorgan­isationend­er-un-jefta-co-in-den-haag-stoppen

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Foto: imago/Rolf Zöllner Protest im Juli 2017 in Berlin gegen das geplante Handelsabk­ommen JEFTA zwischen der EU und Japan
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Foto: privat

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