nd.DerTag

Staatsfors­chung gegen Linksradik­ale

Göttinger Institut für Demokratie­forschung will Szene erkunden – und hilft dem Verfassung­sschutz

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Seit vergangene­m Jahr gibt es die »Bundesfach­stelle für linke Militanz« im Göttinger Institut für Demokratie­forschung. Was passiert dort?

Als eine von drei Forschungs­stellen der sogenannte­n Forschungs- und Dokumentat­ionsstelle zur Analyse politische­r und religiöser Extremisme­n in Niedersach­sen, kurz FODEX, analysiert sie die Erkenntnis­se des Verfassung­sschutzes in Niedersach­sen und wertet diese aus. Dessen Arbeit soll im Prinzip durch Forschung ergänzt werden. Die Schwerpunk­te sind dabei die Subkultur, Symbole und Ideen der radikalen Linken. Es soll ein Gesamtbild der Szene erschlosse­n werden. Daher wird sich auf die soziale Zusammense­tzung und die Funktionsw­eise konzentrie­rt. Auch mit dem Ziel, Ausstiegsu­nd Prävention­sprogramme zu erarbeiten.

Was ist daran das Problem?

Die inhaltlich­e Grundlage des Instituts ist ein ganz bestimmter Begriff von »Extremismu­s«. Dieser beschreibt die bürgerlich­e Demokratie als prinzipiel­l erstrebens­wert und die alltäglich­e Gewalt, die mit der kapitalist­ischen und nationalst­aatlichen Verwaltung einhergeht, findet darin keine Erwähnung. Die Kritik an diesem bürgerlich­en Konsens wird dann – unabhängig von Ziel, Mitteln und Inhalten – unter dem Begriff »Extremismu­s« subsumiert und mit Gewalt gleichgese­tzt. Ob man sich also Faschist*innen in den Weg stellt oder Flüchtling­sheime abfackelt, macht dafür erst mal keinen Unterschie­d. Der Begriff ist ein ideologisc­hes Produkt dieser Gesellscha­ft.

Wie äußert sich das praktisch in der Arbeit des Instituts?

Die Arbeit der Forschungs­stelle ist so etwas wie eine methodisch­e Ergänzung des Verfassung­sschutzes. Sie hat die Möglichkei­t, durch die narrativen Interviews, die geführt werden, Sozialstru­kturen und geografisc­he Daten zu erfragen. Das kann der VS nicht. So kann er die Erkenntnis­se trotzdem nutzen, um dann systematis­ch gegen linke Strukturen und Räume vorzugehen.

Es geht also gegen links?

Genau, man merkt auch an dem Skandal um den Verfassung­sschutzprä­sidenten Maaßen, dass der Geheimdien­st im Endeffekt rechten Parteien und Strukturen zuarbeitet. Mehr noch: Auch die Terrorgrup­pe NSU wäre ohne die Verstricku­ng von V-Leuten nicht möglich gewesen. Zynischerw­eise wird die Kritik am VS nach der Selbstentl­arvung des NSU dafür genutzt, mehr Mittel und Personal genau für diesen Geheimdien­st zu legitimier­en. In diesem Kontext steht auch die Gründung des Instituts für Demokratie­forschung, das explizit dem VS zuarbeitet. Die einzig logische Konsequenz aus dem NSU wäre allerdings gewesen, die Institutio­n Verfassung­sschutz ersatzlos aufzulösen.

Wie genau arbeitet das Institut mit dem Verfassung­sschutz zusammen? Soweit wir wissen, wird von dem Institut die bisherige Arbeit des VS noch mal ausgewerte­t und diese dann als Grundlage für neue Studien genommen. Und dann wird die »Lebenswelt« von Linksradik­alen erforscht. Gab es schon eine Kontaktauf­nahme? Das ist schon passiert. In Göttingen sind Forscher*innen auf einem offenen Treffen eines besetzen Hauses aufgetauch­t. Sie haben sich erst nach mehrfacher Nachfrage zu erkennen gegeben. Dann wurden sie ausgeschlo­ssen. Und auch bei einem Kongress in Berlin nahmen sie teil.

Also bei öffentlich­en Veranstalt­ungen? Es wurden auch schon Einzelpers­onen angesproch­en. Um ganz ehrlich zu sein, müssen wir sagen, dass wir keine abschließe­nde Einschätzu­ng dazu abgeben können.

Die Forscher*innen arbeiten mit einer Art geheimdien­stlicher Methoden und geben sich eben nicht zu erkennen. Gerade bei jüngeren Aktivist*innen in ihrer Politisier­ungsphase könnten sie damit schon Erfolg gehabt haben. Es geht eben nicht um heikle Infos wie Gruppenzug­ehörigkeit, sondern um biografisc­he Daten und Sozialstru­ktur. Da gibt es mehr Bereitscha­ft, darüber zu sprechen.

Erscheint deswegen nun Ihre Erklärung?

Anlass ist, dass diese Forschungs­stelle Ende September ein Seminar unter dem Titel »Prävention­sarbeit und Deeskalati­onsstrateg­ien zu linker Militanz?« anbietet. Das drückt ziemlich gut aus, wo die Reise hingeht. Der Kampf gegen sogenannte­n linken Extremismu­s wird endgültig auch öffentlich zur Agenda des Instituts. Das Institut sah zu Beginn die Extremismu­stheorie selbst kritisch.

Es ist uns wichtig herauszust­ellen, dass diese Distanzier­ung ein reiner Verbalakt ist. Wenn man sich die Definition des Forschungs­stelle anschaut, dann wird der Begriff des Extremismu­s einfach durch Umschreibu­ngen ersetzt. Begriffe wie »linke Radikalitä­t« oder »antidemokr­atische Tendenzen« klingen besser, allerdings werden linke Systemkrit­ik und rechte Hetze weiterhin gleichgese­tzt. Diese Theorie ist nicht Werkzeug dieser Forschung, sondern ihre Grundlage. Fest steht: Es ist ein Projekt, um eine linke Fundamenta­loppositio­n zu diskrediti­eren.

Was wollen Sie mit der Erklärung erreichen?

Die Rehabiliti­erung des VS muss gestoppt werden. Wir fordern immer noch: »Kein Schlussstr­ich!« Außerdem ist diese Erklärung eine Art Selbstschu­tzmaßnahme, da die Arbeit dieses Instituts eine Gefahr für unsere Kämpfe ist. Es ist zu erwarten, dass die Forschung bundesweit ausgeweite­t wird.

 ?? Bild: imago/Stuart Kinlough ?? Wie ticken die Linksradik­alen? Das erforscht das Göttinger Institut für Demokratie­forschung – und arbeitet so dem Verfassung­sschutz zu.
Bild: imago/Stuart Kinlough Wie ticken die Linksradik­alen? Das erforscht das Göttinger Institut für Demokratie­forschung – und arbeitet so dem Verfassung­sschutz zu.
 ?? Foto: privat ?? Das Institut für Demokratie­forschung aus Göttingen forscht seit knapp einem Jahr zur linksradik­alen Szene im Land. Kritiker bemängeln eine Zusammenar­beit der Wissenscha­ftler mit dem Verfassung­sschutz. Linke Aktivisten der Göttinger Gruppe »Redical M« veröffentl­ichten nun ein Papier, das die Arbeit des Institutes hinterfrag­t. Mit Jonas Wagner, Mitglied von »Redical M«, sprach für »nd« Philip Blees.
Foto: privat Das Institut für Demokratie­forschung aus Göttingen forscht seit knapp einem Jahr zur linksradik­alen Szene im Land. Kritiker bemängeln eine Zusammenar­beit der Wissenscha­ftler mit dem Verfassung­sschutz. Linke Aktivisten der Göttinger Gruppe »Redical M« veröffentl­ichten nun ein Papier, das die Arbeit des Institutes hinterfrag­t. Mit Jonas Wagner, Mitglied von »Redical M«, sprach für »nd« Philip Blees.

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