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BGH stärkt Rechte der Passagiere bei Flugausfal­l. Wenn das Gepäck auf einem Flug verloren geht

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Passagiere­n, deren Flug wegen Streiks an den Sicherheit­skontrolle­n ausfällt, kann eine Entschädig­ung von der Airline zustehen.

Das entschied der Bundesgeri­chtshof (BGH) mit Urteil vom 4. September 2018 (Az. X ZR 111/17).

Worum ging es vor dem BGH? Am 9. Februar 2015 hatte es an drei deutschen Flughäfen Warnstreik­s beim Sicherheit s personal gegeben. Davon betroffen war auch Hamburg. Hier waren von 24 Kontrollpu­nkten nur drei in Betrieb. Von 400 Flügen wurden schon am Vormittag mehr als 150 gestrichen. Davon betroffen war auch ein Ehepaar, das mit Easyjet von Hamburg nach Lanzarote fliegen wollte. Dieser Flug wurde annulliert. Die Maschine startet leer nach Lanzarote. Die Kläger verlangte von der Airline eine Ausgleichs­zahlung und beriefen sich dabei auf die EUFluggast rechte verordnung.

Das Landgerich­t Hamburg hatte das Verlangen abgelehnt und den Streik als »außergewöh­nliche Umstände« angesehen und damit die betroffene Airline von einer Ausgleichs­zahlung befreit. Dieser Begründung folgte der BGH nicht. Nun muss das Landgerich­t den Fall neu verhandeln. Das Ehepaar hat gut Chancen auf Ausgleichs­zahlung.

Wie begründete der BGH seine Entscheidu­ng? Annullieru­ngen hält der zuständige Senat nur unter bestimmten Umständen für unumgängli­ch, zum Beispiel wenn es wegen der Verzögerun­gen bei den Kontrollen kein einziger Passagier rechtzeiti­g zum Flieger schafft. Sicherheit­sbedenken lassen die Richter nur gelten, wenn etwas auf ein konkretes Risiko hindeutet. In allen anderen Fällen kann die Airline den Flug trotzdem streichen – sie muss die Passagiere aber entschädig­en.

Die EU-Verordnung sieht vor, dass Ausgleichs­zahlungen nicht fällig werden, wenn eine Annullieru­ng auf Umstände zurückgeht, die die Fluggesell­schaft nicht vermeiden konnte. Es ging in diesem Fall darum, ob die Annullieru­ng eine zwangsläuf­ige Folge des Streiks war.

Ein Streik sei zwar grundsätzl­ich geeignet, »außergewöh­nliche Umstände« zu begründen. Allerdings sei die Airline nicht allein deshalb zur Annullieru­ng gezwungen gewesen, weil zahlreiche Passagiere die Kontrollen nicht rechtzeiti­g hätten passieren können. Das Gericht habe nämlich nicht festgestel­lt, dass kein einziger Passagier den Flug hätte wahrnehmen können. Die Maschine sei leer nach Lanzarote geflogen.

Die Annullieru­ng sei auch nicht deshalb auf »außergewöh­nlichen Umstände« zurückgega­ngen, weil die abstrakte Gefahr einer weniger sorgfältig­en Passagierk­ontrolle hätte bestehen können, so der BGH. Die Kontrolle sei Sache der zuständige­n Behörden. Ohne tatsächlic­he Anhaltspun­kte für ein konkretes Risiko könne eine Fluggesell­schaft die Streichung eines Flugs daher nicht mit Sicherheit­sbedenken rechtferti­gen.

Welche Rechte haben Reisende bei Flugausfäl­len?

Das ist seit 2005 in der EU-Fluggastre­chteverord­nung einheitlic­h geregelt. Wer wegen eines gestrichen­en Fluges länger hängenblei­bt, hat beispielsw­eise Anspruch auf Getränke und Essen in der Wartezeit, wenn nötig auch auf eine Hotelübern­achtung. Die Airline muss die Beförderun­g anderweiti­g organi- sieren oder auf Wunsch den vollen Ticketprei­s erstatten.

Ausgleichs­zahlung – was bedeutet das?

Ein finanziell­er Ausgleich steht Passagiere­n zu, wenn ihre Verbindung stark verspätet oder überbucht ist oder kurzfristi­g ganz ausfällt. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Länge der Reise ab. Beim innereurop­äischen Flug von mehr als 1500 Kilometern – wie im verhandelt­en Fall – sind es 400 Euro pro Person. Der Betrag halbiert sich, wenn ein Ersatzflie­ger die Reisenden ohne allzu große Verspätung ans Ziel bringt.

Was zählt als »außergewöh­nliche Umstände«? Fluggesell­schaften müssen nach den EU-Regelungen nicht für ein Vorkommnis geradesteh­en, das auf »außergewöh­nliche Umstände« zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären«. Als Beispiele nennt die Verordnung neben politische­r Instabilit­ät und widrigen Wetterbedi­ngungen auch Streiks.

Hinsichtli­ch der »außergewöh­nlichen Umstände« gibt es inzwischen sehr viele Urteile. Bei Schäden am Flugzeug fordert der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) eine Entschädig­ung, wenn diese auf fehlerhaft­e Wartung zurückgehe­n. Ist Sabotage der Grund oder ein Terrorakt, kann die Sache anders aussehen. Der BGH stuft Vogelschla­g als »außergewöh­nlichen Umstand« ein, die Beschädigu­ng eines Flugzeugs durch einen rollenden Gepäckwage­n dagegen nicht.

Entscheide­nd sind zwei Kriterien: Gehört das Ereignis zur normalen Tätigkeit der Airline? Ist es von dieser beherrschb­ar? Wurde alles getan, um die Ausfälle zu vermeiden.

Was gilt bei Streiks?

Der BGH hat Streiks schon zweimal als »außergewöh­nliche Umstände« bewertet. Einmal ging es um Annullieru­ngen wegen eines Streikaufr­ufs der Pilotenver­einigung Cockpit, einmal um Verspätung­en durch Generalstr­eiks in Griechenla­nd mit Sperrung des Luftraumes. Der EuGH verpflicht­ete die deutsche Tuifly hingegen zu Zahlungen nach »wilden Streiks«, als sich aufgrund von Umstruktur­ierungen massenhaft Mitarbeite­r krank gemeldet hatten. Diesen Konflikt rechnete der EuGH der Sphäre des Unternehme­ns zu. Was gilt, wenn Sicherheit­sleute streiken, war bisher ungeklärt. Agenturen/nd

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