Gemüse für Kenner
Sellerie wird entweder geliebt oder gehasst. Er entwässert schonend, gehört zum Waldorf-Salat und kann veganes Schnitzel sein.
Knolle, Stange oder Kraut der Selleriepflanze können als Gemüse, Püree, Saft, Salat oder Tee zubereitet werden. Ihre Inhaltsstoffe beeinflussen Nierengefäße und die glatte Muskulatur der Arterien. Christa R. ist eine aktive, lebensfrohe Rentnerin. Bis auf einen altersbedingten erhöhten Blutdruck, der sich mit einem Blutdrucksenker recht schnell regulieren ließ, hat sie kaum gesundheitliche Beschwerden. Doch seit einigen Wochen ist ihr rechter Fußknöchel angeschwollen, sodass sie schlecht auftreten kann und selbst kleine Spaziergänge ihr zunehmend schwerfallen.
Einige Blutdruckmedikamente, vor allem die sogenannten Kalziumantagonisten, können als unerwünschte Nebenwirkung tatsächlich Schwellungen, sprich Wassereinlagerungen, in Fußknöchel oder Unterschenkel verursachen. Oft können diese Beschwerden mit einem zusätzlichen Diuretikum, das die Wasserausscheidung ankurbelt, behoben werden. Im Volksmund heißt dieses Mittel, das morgens eingenommen wird und den Gang zur Toilette vervielfacht, »Wassertablette«. Allerdings hat diese Vorgehensweise, besonders bei gleichzeitiger Veranlagung zur Gicht, einen gewaltigen Haken: »Gichtpatienten mit Bluthochdruck ist insbesondere von blutdrucksenkenden Medikamenten der Klasse Diuretika abzuraten«, sagt Klaus Krüger, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen. Durch den Einsatz eines Diuretikums zirkuliert weniger Flüssigkeit im Körper, so kann die Konzentration an Harnsäure im Blut ansteigen. Die sich in der Folge bildenden Harnsäurekristalle führen wiederum zu Entzündungen, Schwellungen und Schmerzen.
Hier kommt die basenüberschüssige Sellerieknolle ins Spiel, deren regelmäßiger Verzehr auch Christa R. zu empfehlen wäre. Das Wurzelgemüse unterstützt auf milde Weise die Nieren bei der Ausscheidung von Harnsalzen und puffert vorhandene Säuren im Organismus ab.
Der Echte Sellerie mit dem botanischen Namen Apium graveolens gehört wie Petersilie, Fenchel oder Möhren zur Familie der Doldengewächse. Auf salzhaltigen Böden wächst Wildsellerie, der bereits vor Tausenden von Jahren als Heilpflanze genutzt wurde. Heutige Gemüsegärtner kultivieren drei Varietäten des Echten Selleries: den im Herbst geernteten Knollensellerie, den sommerlichen Schnittsellerie sowie den Staudensellerie, auch Stangen- oder Bleichsellerie genannt.
Frisch geernteter Sellerie enthält ätherische Öle, vor allem Limonen, und in geringerer Menge Butylphthalid, das den charakteristischen Ge- ruch ausmacht. Phthalide wirken beruhigend und entspannend auf die glatte Muskulatur der Blutgefäße, wodurch ein bestehender Bluthochdruck schnell abgesenkt werden kann. Um messbare Effekte zu erzielen, reichen 100 Milliliter frisch gepresster Selleriesaft dreimal täglich zu den Mahlzeiten aus. Im Rahmen einer mehrwöchigen Kur mit Selleriesaft sollte jede Veränderung bei der Einnahme verordneter Medikamente immer in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
Die ätherischen Öle des Selleries stellen Nieren- und Lymphgefäße weit, sodass giftige Stoffe besser ausgeschieden werden können. Basenbildende Mineralstoffe wie das reichlich vorkommende Kalium wirken ebenfalls harntreibend, neutralisieren Säuren im Muskel- und Bindegewebe sowie überschüssige Magensäure. Im Selleriegemüse vorhandene Polysaccharide pflegen zudem die Magenschleimhaut und lindern Entzündungen des Darms.
Ein weiterer Inhaltsstoff ist Apigenin, das für die hellgelbe Farbe von Knollen- und Bleichsellerie verantwortlich ist und zur Stoffgruppe der Flavone zählt. Dieser Wirkstoff bekämpft ebenfalls Entzündungen und stoppt die Vermehrung von Krebszellen. Die enthaltenen Vitamine C und E wirken mit den Farb- und Geruchsstoffen des Selleries zusammen.
Außerdem enthält das schmackhafte Gemüse pflanzliche Hormone, die ähnliche Wirkungen wie Insulin ausüben. Allerdings wirken diese Hormone wesentlich schwächer und unzuverlässiger als das echte menschliche Hormon. Zur Diabetesvorbeugung kann Sellerie besonders zur Erntezeit im Herbst mehrmals pro Woche auf dem Speiseplan stehen – vorausgesetzt natürlich, man reagiert nicht allergisch darauf.
Aufgrund des geringen Kohlenhydratgehalts von zwei Gramm auf 100 Gramm Frischsellerie muss das Gemüse nicht auf eventuell zu spritzendes Insulin angerechnet werden. Wichtig hingegen ist der Rat, bei gleichzeitiger Neigung zu Gicht und Bluthochdruck, den Zuckerkonsum auf ein Minimum zu beschränken. Bereits ein Glas zuckerhaltige Limonade oder ein Stück Kuchen entlockt der Bauchspeicheldrüse große Insulinmengen. Ein hoher Insulinspiegel führt dazu, dass der Körper weniger Salz ausscheidet, bewirkt Wassereinlagerungen und lässt die glatten Muskelzellen in den Adern dreimal so dick wie allgemein üblich wachsen. All dem folgt ein erhöhter Blutdruck. Das Herz muss viel mehr Kraft aufbringen, um den Erschwernissen zum Trotz genügend Blut in alle Zellen zu pumpen.
Ein erhöhter Insulinspiegel führt außerdem dazu, dass Harnsäure schlechter ausgeschieden wird. Daher betrachten einige naturheilkundliche Ärzte die schmerzhafte Gelenkerkrankung Gicht als eine Vorstufe der Zuckerkrankheit. Wenn dabei der Appetit auf Süßes weiter bestehen bleibt, kann dies bedeuten, dass der Körper eigentlich nach mehr Kalium ruft. Denn normalerweise gelangt der in der Natur vorkommende Zucker stets in Kombination mit diesem Mineralstoff in den Magen, zum Beispiel in Form von Obst oder Wurzel- gemüse. Zu Letzterem gehört auch die kaliumreiche Sellerieknolle.
Die Knolle ist nicht nur eine wichtige Zutat für Suppen und Eintöpfe. In Würfel geschnitten kann sie zusammen mit Kartoffeln gegart und zu einem würzigen Kartoffelbrei verarbeitet werden, der obendrein weniger Kohlenhydrate enthält. Die frisch geerntete Knolle, von der man das Blattgrün entfernt und separat zum Trocknen aufhängt, lässt sich eine Woche im Kühlschrank aufbewahren. Für Rohkostsalat sollte sie möglichst erntefrisch gerieben werden. In einigen Gebieten Deutschlands, wo im Winter kaum Fröste auftreten, lässt man die Knolle bis zur Verwendung in der Erde.
In Risotto bringen Selleriewürfel mit frischer Roter Bete eine charmante Nuance. In Scheiben geschnitten und mit gemahlenen Mandeln paniert, erhält man ein leckeres, vegetarisches Schnitzel.
Der Bleichsellerie mit seinen langen, fleischigen Blattstielen findet in der kalorienbewussten Küche vielfältige Zubereitungsvarianten. Zum Verzehr mit Avocadocreme oder Frischkäse zum Dippen braucht man die Selleriestangen nur gründlich zu waschen. Im Verhältnis drei zu eins zusammen mit Nudeln gekocht, ergeben sie einen leichten Salat, der abgekühlt mit Tomaten, Oliven und Basilikum verfeinert wird.