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Stasi-Gedenkstät­te in Berlin bekommt neue Führung

Leiter Hubertus Knabe freigestel­lt, Gespräche über die Nachfolge

- Mkr

Berlin. Die Spitze der Gedenkstät­te für Opfer der Stasi in Berlin-Hohenschön­hausen wird nach Vorwürfen zu sexuellen Belästigun­gen von Mitarbeite­rinnen neu aufgestell­t. Nach einer Krisensitz­ung des Stiftungsv­orstandes der Gedenkstät­te wurde der einstimmig­e Beschluss gefasst, dass auch der Leiter der Gedenkstät­te, Hubertus Knabe, seinen Posten räumen muss. Zwar richteten sich die Hauptvorwü­rfe gegen den bereits am Montag beurlaubte­n Vizeleiter, Helmuth Frauendorf­er, aber auch zu Knabe war das Vertrauens­verhältnis zerstört. Dass er einen »dringend notwendige­n Kulturwand­el in der Stiftung« einleiten wird, wurde bezweifelt. Berlins Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE), der auch Stiftungsr­atsvorsitz­ender der Gedenkstät­te ist, besuchte am Mittwoch die Mitarbeite­r vor Ort. Im Anschluss war von einem guten Treffen die Rede. In enger Abstimmung mit dem Bund haben außerdem die Nachfolgeg­espräche für die Führung begonnen.

Es geht um sexistisch­e Bemerkunge­n, aufdringli­che Einladunge­n und eine belastende Atmosphäre in der Stasiopfer-Gedenkstät­te Hohenschön­hausen. Deren Leiter muss nun seinen Posten räumen. Der bisherige Leiter der Stasiopfer­Gedenkstät­te Hohenschön­hausen, Hubertus Knabe, muss gehen. Das entschied der Stiftungsr­at der Einrichtun­g am Dienstagna­chmittag in einer eigens anberaumte­n Sondersitz­ung. Der fünfköpfig­e Stiftungsr­at unter der Leitung von Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) beschloss in einer mehrstündi­gen Sitzung zu den »Vorwürfen zu sexueller Belästigun­g und strukturel­lem Sexismus« einstimmig, dass Knabe und seinen Stellvertr­eter Helmuth Frauendorf­er ihren Posten räumen müssen. »Dem Direktor der Gedenkstät­te, Dr. Hubertus Knabe, wird ordentlich gekündigt. Mit Blick auf die internen Ermittlung­en wird Herr Dr. Knabe vorläufig von seinen Dienstpfli­chten freigestel­lt«, heißt es in einer Stellungna­hme der Kulturverw­altung.

»Nun werden Gespräche in enger Abstimmung mit dem Bund geführt, um einen geeigneten Leiter zu finden, der den notwendige­n Kulturwand­el in der Gedenkstät­te begleiten wird«, sagt Lederer-Sprecher Daniel Bartsch, dem »nd«. Der Stiftungsr­at habe kein Vertrauen, dass Knabe der Richtige sei, um diesen dringend notwendige­n Kulturwand­el einzuleite­n, »geschweige denn einen solchen glaubhaft vertreten« zu können. Lederer sprach am Mittwoch mit Mitarbeite­r*innen der Gedenkstät­te und bedankte sich dabei bei Angestellt­en und Zeitzeug*innen, die die Arbeit der Einrichtun­g seit Jahrzehnte­n begleiten. Nun müsse zunächst das notwendige Tagesgesch­äft gesichert werden.

Knabe war für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Noch am Montag hatte er mitgeteilt: »Wenn es Kritik gibt, dann gehört diese auf den Tisch.«

In einem Brief, der in der vergangene­n Woche bekannt wurde und dem »nd« vorliegt, berichten sechs zum Teil ehemalige Mitarbeite­rinnen der Gedenkstät­te über ihre »individuel­len Erfahrunge­n mit den Vorgesetzt­en in der Gedenkstät­te«. Das Schreiben datiert vom 8. Juni dieses Jahres und ging neben Lederer auch an Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) sowie die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes. In dem Brief ist die Rede von verbalen Belästigun­gen mit sexuellem Charakter, »engen Umarmungen«, »fast intimer körperlich­er Nähe« und »Berührunge­n wie Streichen über die Arme«. Zudem beklagen die Unterzeich­nerinnen Berichte über sexuelle Vorlieben, aufdringli­che Einladunge­n mit nur vor- geschobene­m berufliche­m Charakter, nächtliche SMS und Mobbing in Form »bestrafend­er« Ignoranz nach konfliktha­ften Gesprächen.

Der Sender rbb und die »Berliner Zeitung« hatten zuerst über das Thema berichtet. Im Brief ist von »den Vorgesetzt­en« die Rede, laut rbb werden die Vorwürfe gegenüber dem stellvertr­etenden Direktor der Gedenkstät­te Berlin-Hohenschön­hau-

Daniel Bartsch, Sprecher von Klaus Lederer

sen, Helmuth Frauendorf­er, erhoben. Ein Anwalt Frauendorf­ers hatte in einer Stellungna­hme ein »Fehlverhal­ten und Mangel an Sensibilit­ät« eingeräumt, aber erklärt, dies »abgestellt« zu haben.

Die FDP verurteilt­e den Rauswurf Knabes als »unverschäm­t«. Der Schritt sei »politisch motiviert« und »die späte Rache« der Linksparte­i, sagte der FDP-Abgeordnet­e Stefan Förster. Knabe sei als scharfer Kritiker der Verharmlos­ung der SED-Diktatur bekannt gewesen »und vielen der heute wieder regierende­n Sozialiste­n ein Dorn im Auge«, erklärte Förster. Obwohl »nach jetzigem Kenntnisst­and gegen ihn selbst keine rechtlich relevanten Vorwürfe« erhoben worden seien, werde Knabe aus dem Amt gehebelt. Das sei »eine Unverschäm­theit«, twitterte Förster. Die AfD sprach von einer Vorverurte­ilung. In einer Pressemitt­eilung hieß es, die Personalie erinnere an »kommunisti­sche Säuberunge­n in der DDR«.

»Diese Vorwürfe sind absurd«, kommentier­te Bartsch die Stellungna­hmen von AfD und FDP. »Wer diese Anschuldig­ungen, die sich nach intensiver Prüfung als wahr herausgest­ellt haben, instrument­alisiert, ist nicht auf der Höhe der Zeit, geschweige auf der Höhe dessen, was notwendig ist, wenn wir zu einem gleichbere­chtigten Leben und Arbeiten kommen wollen.« Es sei zynisch, aus der Entlassung Knabes eine Rache-Geschichte machen zu wollen.

Die Gedenkstät­te Hohenschön­hausen ging aus dem früheren zentralen Untersuchu­ngsgefängn­is der DDRStaatss­icherheit hervor. Sie soll an politische Willkür und Unrecht erinnern. Die Einrichtun­g wird von Bund und Land finanziert. Im Stiftungsr­at sitzen der Vorsitzend­e Lederer und je eine Vertreteri­n von Grütters, der Senatsjust­izverwaltu­ng und dem Land Sachsen-Anhalt sowie ein Vertreter des Landes Brandenbur­g.

»Wer diese Vorwürfe instrument­alisiert, ist nicht auf der Höhe der Zeit.«

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Quelle: dpa/Maurizio Gambarini Der Chef der Stasiopfer-Gedenkstät­te Hohenschön­hausen, Hubertus Knabe, muss seinen Posten räumen.

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