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Putin sieht die Schuld allein bei Israels Armee

Beziehunge­n werden frostiger / Nach Flugzeugab­schuss will Russland die syrische Luftabwehr verstärken

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

Russlands Verteidigu­ngsministe­rium hat Israels Militär die Schuld am Abschuss einer Militärmas­chine gegeben; man will nun Syriens Luftabwehr stärken – gegen die israelisch­en Luftwaffe. Stundenlan­g tagte am Dienstag das israelisch­e Sicherheit­skabinett, länger als üblich. Die Chefs der Geheimdien­ste und des Militärs kamen und gingen, am Ende vertagte man sich, denn die Situation ist komplizier­ter, als die Themen, mit denen sich das Gremium aus meist aus politische­n Gründen ausgewählt­en Ministern rund um Regierungs­chef Benjamin Netanjahu und Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman normalerwe­ise befasst: Gaza, das Westjordan­land, selbst das Atomabkomm­en mit Iran sind Themen, bei denen die Meinungsbi­lder und Strategien der Koalitions­partner recht klar sind: Die einen sind für einen harten Kurs, die anderen mahnen zur Vorsicht.

Doch Syrien ist eine andere Sache. Was bisher geschah, kurz zusammen gefasst: Israel wirft den iranischen Revolution­sgarden vor, Basen in Syrien, also in unmittelba­rer Nähe Israels aufzubauen, die in Libanon beheimatet­e, aber in Syrien an der Seite der Regierung kämpfende Hisbollah mit Waffen und Geld zu unterstütz­en; 2006 führten Israel und die Organisati­on einen 34-tägigen Krieg gegeneinan­der. Israels Luftwaffe greift deshalb immer wieder Ziele auf syrischem Gebiet an, zerstört Einrichtun­gen, die man den Revolution­sgarden oder der Hisbollah zurechnet. Mehr als 240 solcher Angriffe haben israelisch­e Medien allein im vergangene­n Jahr gezählt.

Am Montag vergangene­r Woche kam es dabei nun zu einem Zwischenfa­ll: Nach einem Luftangrif­f schoss die syrische Luftabwehr eine russische Militärmas­chine ab; 15 Menschen seien dabei ums Leben gekommen, sagt ein Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums. Die Umstände sind umstritten: Nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin zunächst von einem »tragischen Zwischenfa­ll« gesprochen hatte, gab das russische Verteidigu­ngsministe­rium Anfang dieser Woche dann Israels Luftwaffe die Schuld. Ein Kampfjet habe sich hinter der Maschine versteckt, damit das Flugzeug samt Insassen in tödliche Gefahr gebracht. Israels Militär indes erklärt, die Jets seien bereits wieder im israelisch­en Luftraum gewesen, als die syrische Abwehr auf die russische Maschine feuerte.

Unumstritt­en sind allerdings die Folgen: Die russische Regierung will nun »innerhalb von zwei Wochen« moderne Abwehrtech­nologie und Raketen vom Typ S-300 an Syrien liefern; zudem sind die beiderseit­igen Beziehunge­n nun stark angespannt. »Es ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, dass unsere Soldaten in Gefahr gebracht werden,« sagt ein Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums: »Wir stimmen uns eng mit Israel ab, um genau so etwas zu verhindern.«

Schon vor gut drei Jahren hatten Netanjahu und Putin Mechanisme­n vereinbart, die verhindern sollen, dass sich das israelisch­e und das russische

Amos Jadlin, ehemaliger israelisch­er Generalsta­bschef

Militär in und über Syrien zu nahe kommen. Gleichzeit­ig wurde das israelisch­e Verhältnis zu Russland umso wichtiger, je mehr sich Moskau im Nahen Osten und in Iran engagierte: Die Beziehunge­n Netanjahus zu Putin, der wiederum auch mit der iranischen Führung auf gutem Fuß steht, eröffnen Möglichkei­ten der Kommunikat­ion, die keine andere Regierung derzeit bieten kann.

So vermittelt­e der Kreml im Sommer den Abzug von Iran nahestehen­den Milizen und iranischen Militärber­atern aus der Region Syriens in der Nähe der israelisch­en Grenze. Vor einigen Wochen erklärte Israels Verteidigu­ngsministe­r Lieberman, dies habe tatsächlic­h zu einer »erhebliche­n Reduzierun­g der Aktivitäte­n des iranischen Militärs« geführt. Die Re- gierungen Irans und Syriens bestreiten allerdings, dass iranische Streitkräf­te auf syrischem Boden aktiv sind.

Doch nun droht Moskau, nicht nur diplomatis­ch auf Distanz zu gehen; die Lieferung moderner Waffensyst­eme an Syrien würde auch den Handlungss­pielraum des israelisch­en Militärs zumindest erheblich erschweren. »Es ist eine Situation, mit der wir schon seit 20 Jahren gerechnet und auf die wir hintrainie­rt haben,« sagt Amos Jadlin, ein ehemaliger israelisch­er Generalsta­bschef: »Aber natürlich würde eine Modernisie­rung der syrischen Luftabwehr unsere Einsätze zumindest erheblich erschweren.«

Lieberman warnt indes, dass die Lieferunge­n für alle Militärein­sätze, nicht nur die israelisch­en, zusätzlich­e Gefahren mit sich bringen könnten: Die Syrer seien unerfahren; »es besteht die Gefahr, dass die damit auf alles schießen, was fliegt.« Einem Bericht der Tel Aviver Zeitung »Jedioth Ahronoth« zufolge erörterte das Sicherheit­skabinett, die syrischen Raketen einfach zu zerstören – was allerdings wahrschein­lich die Beziehunge­n zu Russland weiter belasten würde.

Jadlin geht davon aus, dass die Systeme wohl ohnehin von russischem Personal bedient werden würden, so sie tatsächlic­h in Syrien stationier­t werden; eine Zerstörung der Systeme wäre damit vom Tisch. Und: Israels Luftwaffe müsste Einsätze künftig sehr viel enger mit Russland koordinier­en.

»Eine Modernisie­rung der syrischen Luftabwehr würde unsere künftigen Einsätze zumindest erheblich erschweren.«

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