nd.DerTag

Neue Vorwürfe gegen Berliner Geheimdien­st

- Von Martin Kröger

Ein V-Mann des Verfassung­sschutzes soll die Ausreise eines 16-Jährigen in Syrien logistisch unterstütz­t haben. Der nachrichte­ndienstlic­he Hintergrun­d wurde 2015 noch abgestritt­en. Auf den krisengepl­agten Berliner Verfassung­sschutz kommt neuer Ärger zu. Das ZDF-Politmagaz­in »Frontal 21« berichtete am Dienstagab­end über einen Spitzel namens Emanuel P. des Nachrichte­ndienstes, der einem seinerzeit minderjähr­igen 16-Jährigen im Sommer 2015 eine Ausreise von Berlin über die Türkei zum Islamische­n Staat mitorganis­iert haben soll. Der V-Mann soll dem Jugendlich­en Geld, Flugticket­s und ein Quartier besorgt haben. In dem Fernsehbei­trag kommt der Jugendlich­e selber zu Wort. Der heute 19-Jährige kritisiert die Aktion des V-Mannes als »unmenschli­ch und kriminell«. Der Übertritt ins selbst ernannte »Kalifat« konnte seinerzeit nur knapp durch die türkischen Behörden verhindert werden, die den Jugendlich­en anschließe­nd wieder nach Berlin abschoben.

Auf nd-Nachfrage erklärte ein Sprecher des Verfassung­sschutzes am Mittwoch: »Operative Vorgänge« kommentier­e man grundsätzl­ich nicht. Dass damit der Fall einfach abgehakt wird, ist indes zu bezweifeln. Als Nächstes dürfte die V-Mann-Causa den Verfassung­sschutzaus­schuss des Abgeordnet­enhauses beschäftig­en. »Wir haben eine Reihe von Fragen, insbesonde­re ob ausgeschlo­ssen werden kann, dass die V-Person weitere Minderjähr­ige dem Dschihad zugeführt hat«, sagt der Innenexper­te der Grünenfrak­tion, Benedikt Lux. Emanuel P. soll von Mai 2013 bis September 2015 als Vertrauens­person (VP), wie es im Behördenja­rgon heißt, geführt worden sein. Als der Verfassung­sschutz Hinweise zur Ausreisehi­lfe für den Jugendlich­en erhielt, soll er die VP abgeschalt­et haben. Für Lux verstärkt der Vorgang unterdesse­n den Verdacht, dass gerade weil so viele V-Personen im Umfeld des Weihnachts­marktatten­täters Anis Amri gewesen sind, hier etwas zurückgeha­lten wird.

Über die Ausreise des 16-Jährigen berichtete »nd« bereits im Dezember 2015. Damals fragte diese Zeitung explizit, ob in dem Ermittlung­sverfahren auch Mitarbeite­r eines Nachrichte­ndienstes, verdeckte Ermittler der Polizei oder eine Vertrauens­person eines Nachrichte­ndienstes involviert gewesen sei. Die Antwort der Strafverfo­lger lautete damals: »Nein.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany