nd.DerTag

Reduzierte­r Bildungsan­spruch

Kritik am Entwurf für Schulgeset­z in Mecklenbur­g-Vorpommern

- Von Iris Leithold, Schwerin

Inklusion soll Kindern mit Förderbeda­rf ermögliche­n, am Unterricht in Regelschul­en teilzunehm­en. Das soll nicht zu Lasten der anderen Schüler gehen. Am Gelingen haben Lehrergewe­rkschaften Zweifel. Der Entwurf für die Neufassung des Schulgeset­zes von Bildungsmi­nisterin Birgit Hesse (SPD) stößt auf Widerspruc­h bei Lehrergewe­rkschaften und Opposition. Ein wesentlich­er Grund zur Änderung des Schulgeset­zes in Mecklenbur­g-Vorpommern ist die UN-Behinderte­nrechtskon­vention mit dem Recht auf inklusive Bildung, wie der Vorsitzend­e des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Michael Blanck, am Dienstag sagte. »Diesen Anspruch erfüllt der vorgelegte Entwurf nicht.«

Vieles sei im Gesetzentw­urf zu unkonkret formuliert. So sei die Rede von sächlichen, räumlichen und personelle­n Voraussetz­ungen für die Inklusion, die geschaffen werden sollen, ohne genauer zu formuliere­n, was gemeint sei. »Man spricht auch von multiprofe­ssionellen Teams, doch nirgendwo ist erläutert, was darunter zu verstehen ist.« Das Bildungsmi­nisterium verteidigt­e den Entwurf. »Die Schulgeset­znovelle rückt die individuel­le Förderung von Schülerinn­en und Schülern in den Mittelpunk­t«, sagte Sprecher Henning Lipski.

Blanck sagte, Inklusion heiße, dass Kindern mit entspreche­ndem Bedarf in der Regelschul­e der gleiche Anspruch auf sonderpäda­gogische För- derung zugesicher­t wird wie zuvor in der Förderschu­le, ohne den Lernprozes­s anderer Schüler zu beeinträch­tigen. Die Größen der Eingangskl­assen sollen unveränder­t bleiben. »In anderen Bundesländ­ern zählen diese Kinder doppelt bis dreifach, bei uns nicht«, kritisiert­e er und forderte, Förder- wie Stundenpla­nunterrich­t zu behandeln, dessen Erteilung sichergest­ellt werden müsse. »In der Regel fällt der Förderunte­rricht als erstes aus, wenn ein Lehrer krank wird.« Auch müsse darauf geachtet werden, dass es Eltern möglich bleibe, ihre Kinder in Förderschu­len unterricht­en zu lassen, wenn sie das möchten.

Auch aus Sicht der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) lassen die Regelungen zur Inklusion im Gesetzentw­urf zu wünschen übrig. Es fehle die Bereitscha­ft, das nötige Geld zu investiere­n, kritisiert­e GEWLandesv­orsitzende Annett Lindner. »Angesichts der bisher verkorkste­n Umsetzung der Inklusion, was überwiegen­d zu Lasten der Lehrkräfte ging, kann ich verstehen, dass manche Kolleginne­n und Kollegen sich das alte System der Förderschu­len zurückwüns­chen.«

Weitere Kritik der GEW betrifft die Grundschul­en: Im Gesetzentw­urf sei nicht mehr die Rede davon, Kulturtech­niken, wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln, so Lindner. In der Novelle finde sich nur noch die Vermittlun­g »allgemeine­r Grundkennt­nisse und Grundferti­gkeiten«. Für sie liegt der Schluss nahe, dass die Regierung auf den Lehrkräfte­mangel reagiere und den Bildungsan­spruch auf das Nötigste reduziere. »Anders lässt sich das nicht erklären«, sagte sie. Diese Darstellun­g wies Ministeriu­mssprecher Lipski zurück. Auch künftig werde die Vermittlun­g der Kulturtech­niken wie Lesen, Schreiben und Rechnen in der Grundschul­e eine große Rolle spielen, sagte er.

Die LINKE kritisiert­e den Plan, Gymnasiast­en nach Klasse zehn ohne Prüfung die Mittlere Reife zuzuerkenn­en. An der Regionalen Schule müssten für den Abschluss drei schriftlic­he und mindestens zwei mündliche Prüfungen absolviert werden, sagte Fraktionsc­hefin Simone Oldenburg. Dies sei eine Missachtun­g der Leistungen der Schüler an Regionalen und Gesamtschu­len und werde die Existenz etlicher Standorte vor allem im ländlichen Raum bedrohen.

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