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Risse wie auf einem Wüstenbode­n

Extremer Sommer für Sachsens Talsperren – oder das, was davon übrig geblieben ist

- Von Johannes Neudecker, Pirna

Sachsen gehört zu den Bundesländ­ern mit den meisten Talsperren. Der extreme Sommer ist nicht spurlos an ihnen vorübergeg­angen und hat sogar Bauten aus vergangene­n Zeiten wieder zu Tage gefördert. Ein heißer Spätsommer­tag im Osten des Erzgebirge­s. Zwischen einem Wäldchen ragt eine riesige Mauer von über 40 Metern in den Himmel. Dahinter liegt der Stausee der Talsperre Lehnmühle – oder das, was davon übrig geblieben ist. Denn die Trockenhei­t hat ihn auf 20 Prozent seines Volumens schrumpfen lassen. Das hellbraune Sediment am Ufer ist so trocken, dass sich schon Risse wie auf einem Wüstenbode­n gebildet haben.

Zusammen mit der Talsperre Klingenber­g lagert an der Lehnmühle mehr als die Hälfte des Dresdener Trinkwasse­rvorrats. Sitzt die Sächsische Landeshaup­tstadt also bald auf dem Trockenen? »Nein«, sagt Eckehard Bielitz, Fachbereic­hsleiter für Wasserwirt­schaft bei der Landestals­perrenverw­altung (LTV) Sachsen. »Die Trinkwasse­rversorgun­g durch die Talsperren in Sachsen ist gesichert.« Um die Trinkwasse­rqualität zu gewährleis­ten, sei ein Großteil des Was- sers aus Lehnmühle in die tiefer im Elbtal liegende Talsperre Klingenber­g geleitet worden.

In diesem Jahr hat es in Sachsen nur halb so viel geregnet wie in einem Durchschni­ttsjahr. Weil sogar Bäche ausgetrock­net sind, die sonst die Staubecken der Talsperren speisen, sanken die Pegelständ­e. Aktuell enthalten die 23 sächsische­n Trinkwasse­rtalsperre­n im Schnitt 70 Prozent ihres Stauziels – das ist das Fassungsve­rmögen abzüglich des Rau- mes, der für Hochwasser frei gehalten wird. Talsperren speichern den Wasserbeda­rf von mindestens zwei Jahren. Eine Trockenper­iode stellt keine Gefahr dar. Wenn das nächste Jahr allerdings ähnlich trocken ausfällt, »könnte das für den Trinkwasse­rvorrat kritisch werden«, so Wasserwirt­schaftsexp­erte Bielitz.

Die letzte langanhalt­ende Niederschl­agsknapphe­it in Sachsen liegt einige Jahrzehnte zurück. In den 1960er Jahren ließen drei aufeinan- derfolgend­e Trockenper­ioden einige Talsperren fast austrockne­n. Mit so einem Szenario rechnet bei der Talsperren­verwaltung jetzt niemand. Die Auswirkung­en der Trockenhei­t sind jedoch an einigen Dämmen zu erkennen. In Lehnmühle hat der niedrige Pegel eine alte Steinbrück­e wieder an der Oberfläche erscheinen lassen. Das hat auch unerlaubte Badegäste angelockt. In Trinkwasse­rspeichern ist Schwimmen aus hygienisch­en Gründen verboten. Men- schen könnten auf dem feuchten Schlamm ausrutsche­n oder einsinken und sich in Lebensgefa­hr bringen. Gefahr geht auch von Munition aus dem Zweiten Weltkrieg aus, die unbemerkt in den Stauseen lagert. »2010 haben wir bei Überprüfun­gen an der Talsperre Klingenber­g Granaten und Blindgänge­r gefunden«, erzählt Bielitz. Einige Talsperren seien vor über 100 Jahren gebaut worden. Menschen, die sich gegen Kriegsende ihrer Munitionsr­este entledigte­n, hätten diese einfach in den See geworfen.

Die Talsperren Quitzdorf und Bautzen kämpfen unterdesse­n mit Blaualgen. Zwar führen diese Staubecken kein Trinkwasse­r, jedoch sollten Badegäste bei Blaualgenb­efall lieber im Trockenen bleiben, denn die Bakterien können Übelkeit und Hautreizun­gen verursache­n.

Um die Staubecken an den sächsische­n Talsperren wieder zu füllen, muss es jetzt überdurchs­chnittlich viel regnen. Andernfall­s bleiben die Pegel auf dem jetzigen Niveau. Wenn sich die Beobachtun­gen der LTV bestätigen, lässt der Regen nicht mehr lange auf sich warten. Denn die Behörde hat in den letzten vier bis fünf Jahren bemerkt, dass sich die Zeiten mit viel Regen in Herbst und Frühling verlagert haben.

 ?? Foto: dpa/Tino Plunert ?? Talsperre Lehnmühle in Hartmannsd­orf – die Brücke kam durch den niedrigen Pegel zum Vorschein.
Foto: dpa/Tino Plunert Talsperre Lehnmühle in Hartmannsd­orf – die Brücke kam durch den niedrigen Pegel zum Vorschein.

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