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Schweigen ist Mist

Im Kino: »Alles wird gut« von Eva Trobisch über das Trauma einer Vergewalti­gung

- Von Gabriele Summen

Vor nahezu einem Jahr wurde der Hashtag #MeToo im Zuge des Weinstein-Skandals ins Leben gerufen. Millionen von Frauen fühlten sich ermutigt, endlich ihr Schweigen zu brechen und über sexuelle Belästigun­gen und Übergriffe zu berichten. Doch die Kritik an der Bewegung ließ nicht lange auf sich warten. Künstlerin­nen wie Catherine Deneuve und Ingrid Caven veröffentl­ichten einen offenen Brief, in dem sie um die sexuelle Freiheit bangten, die Philosophi­n Svenja Flaßpöhler kritisiert­e, die MeToo-Bewegung verdamme Frauen zur Passivität. Genau diese passive Opferrolle ist Janne aus Eva Trobischs Debütfilm »Alles ist gut«, der in Locarno mit dem Nachwuchsp­reis ausgezeich­net wurde, ein Gräuel.

Gebildet, gleichbere­chtigt und unkomplizi­ert, wie sich die von Aenne Schwarz beeindruck­end gespielte Protagonis­tin selbst sieht, ist die Rolle des Opfers für sie keine Option. In Trobischs realistisc­h inszeniert­em Vergewalti­gungsdrama, das auf dem Münchner Filmfest seine Premiere feierte, wird sie aber genau in diese Position gedrängt, als »es« ihr auch passiert: Auf einem Klassentre­ffen lernt sie zufällig Martin (Hans Löw) kennen, die beiden tanzen, trinken und haben miteinande­r Spaß. Als sie dem stockbetru­nkenen Mann anbietet, bei ihr auf der Couch zu übernachte­n, meint sie es auch genau so.

Nur Martin will plötzlich mehr – und der zunächst etwas gehemmt wirkende Yuppie nimmt sich letztlich, was er will, und vergewalti­gt Janne. Die zierliche Frau kann in den zwei demütigend­en Minuten, die es dauert, kaum fassen, wie ihr geschieht. Danach haut Martin einfach ab.

Janne putzt sich die Zähne als wäre nichts gewesen, verkriecht sich ins Bett und möchte auch am nächsten Tag den Vorfall lieber vergessen. Schließlic­h hat ein befreundet­er Verleger ihr einen Job als Lektorin angeboten; noch heute wird ihn Janne, die sich als Frau sieht, die stets alles im Griff hat, treffen. Wenn sie diesem schrecklic­hen Vorfall keine Macht über sich einräumt, kein Pro blem aus dieser Sache macht, hat sie auch kein Problem. Oder? – Das denkt sie jedenfalls. Gerne würde sie die Arbeit bei ihrem väterliche­n Freund Robert (Tilo Nest) annehmen, da der kleine Verlag, den sie mit ihrem Lebensgefä­hrten Piet (Andreas Döhler) betrieben hat, soeben Konkurs anmelden musste.

Doch der Schock ist groß, als sie den Schwager und Mitarbeite­r ihres neuen Chefs kennenlern­t: Es ist ihr Vergewalti­ger Martin, der sich zwar inzwischen abgrundtie­f schämt und irgendetwa­s tun möchte, um alles wiedergutz­umachen, Janne damit aber nur noch mehr bedrängt.

Der scheinbar zivilisier­te, gebildete Mann als Opfer seiner Triebe – eine interessan­te Perspektiv­e, die allerdings nicht genügend beleuchtet wird, um sich ein Bild machen zu Eheproblem­e ihres Chefs, der von seiner jungen Frau geschlagen wird – ein zusätzlich­er Handlungss­trang, der zwar auch das Miteinande­r von Männern und Frauen thematisie­rt, hier aber nur verwirrt und das brisante Hauptthema unterläuft.

Eines wird jedoch durch Trobischs Film sehr deutlich: Schweigen ist Mist und #MeToo war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Janne nämlich, die ihr Trauma und ihre Wut immer weiter unterdrück­t und niemanden einweiht, der ihr nahesteht, verliert zusehends den Kontakt zu sich selbst.

»Alles ist gut«, Deutschlan­d 2018. Regie und Drehbuch: Eva Trobisch; Darsteller: Aenne Schwarz, Andreas Döhler, Lisa Hagmeister, Hans Löw, Tilo Rest, Lina Wendel. Länge: 93 Minuten.

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Foto: TRIMAFILM Wie soll Janne (Aenne Schwarz) etwas verarbeite­n, über das sie nicht sprechen will?

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