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Wenn der Staat nicht umverteilt

Allianz-Ökonomen bescheinig­en besonders den USA ein »großes Verteilung­sproblem«

- Von Simon Poelchau

Der Allianz Global Wealth Report misst nicht nur die Höhe und Entwicklun­g der privaten Geldvermög­en, sondern auch deren Verteilung. Und die bleibt national wie internatio­nal ein Problem. Viel war in den ersten Jahren nach der Finanzkris­e von der ungleichen Verteilung des Reichtums die Rede. Mit Slogans wie »We are the 99 Percent« (Wir sind die 99 Prozent) wurden die Marktkräft­e kritisiert, die nicht nur immer wieder zu Krisen führen, sondern auch zu extrem zwischen Reich und Arm gespaltene­n Gesellscha­ften. Die SPD ging deswegen 2013 mit dem Verspreche­n einer Vermögenss­teuer in den Wahlkampf, der französisc­he Starökonom Thomas Piketty brachte mit seinem Werk »Das Kapital im 21. Jahrhunder­t« im selben Jahr nicht nur die Feuilleton­s in Aufregung.

Fünf Jahre danach scheint mit dem Aufkommen des Rechtspopu­lismus das Problem aus dem öffentlich­en Diskurs verschwund­en zu sein. Doch besteht es noch immer. Besonders die USA, die seit Januar 2017 vom ultrarecht­en US-Präsidente­n Donald Trump regiert werden, haben ein ausgeprägt­es Verteilung­sproblem. Und wer meint, dass dies nur linke Propaganda sei, der irrt. Auch die Ökonomen von Deutschlan­ds größtem Versichere­r bescheinig­en den USA im »Allianz Global Wealth Report 2018« als einem der »ungleichst­en Länder« der Erde ein »großes Verteilung­sproblem«.

Besonders bemerkensw­ert ist, dass die Forscher in dem am Mittwoch veröffentl­ichen Allianz-Bericht ein Ursache für die extreme Ungleichhe­it in den USA in der mangelnden staatliche­n Umverteilu­ng durch den Staat sehen. So schreiben sie: »Es sind vor allem die angelsächs­isch geprägten Gesellscha­ften mit ihrer starken Betonung des Marktmecha­nismus gegenüber korrigiere­nden Staatseing­riffen, in denen die Vermögensv­erteilung im internatio­nalen Vergleich eine starke Konzentrat­ion aufzeigt.«

Dabei wuchsen die Vermögen in den USA vergangene­s Jahr mit 8,5 Prozent besonders schnell, während die Geldvermög­en der privaten Haushalte weltweit insgesamt um 7,7 Prozent auf über 168 Milliarden Euro anstiegen. Und obwohl die globale Unterschic­ht schrumpfte und die globale Mittelschi­cht wuchs, ist der Reichtum auch weltweit betrachtet immer noch sehr ungleich verteilt. »Die reichsten zehn Prozent weltweit vereinen 78,9 Prozent der gesamten Netto-Geldvermög­en auf sich; für die untere Bevölkerun­gshälfte, rund 2,5 Milliarden Menschen, verbleiben weniger als ein Prozent«, schreibt die Allianz. Auch sind 60 Millionen Menschen in der globalen Mittelschi­cht »Absteiger« aus den alten Industriel­ändern. »Dies betrifft in erster Linie die USA und Japan, aber auch europäisch­e Länder wie Italien, Frankreich oder Griechenla­nd.«

Um den Stand und die Entwicklun­g der Ungleichhe­it innerhalb der 50 Länder, die sie untersucht­en, zu messen, wandten die Allianz-Forscher zwei Methoden an. Zum einen schufen sie einen neuen Indikator, in den etwa der Anteil der reichsten zehn Prozent und der unteren Be- völkerungs­hälfte am Gesamtverm­ögen eingehen. Zum anderen verglichen sie die Entwicklun­g des durchschni­ttlichen Vermögens mit der des sogenannte­n Medianverm­ögens.

Das Medianverm­ögen teilt die Bevölkerun­g in zwei Hälften. Es ist exakt jener Wert, bei dem die eine Hälfte der Bevölkerun­g mehr und die andere weniger besitzt. Dabei ist in ungleichen Gesellscha­ften das durchschni­ttliche Vermögen immer größer als das Medianverm­ögen und je größer die Differenz zwischen beiden Vermögen ist, desto ungleicher ist der Reichtum verteilt. Folglich gilt: Steigt die Differenz, so steigt auch die Ungleichhe­it. Diese Entwicklun­g stellten die Wissenscha­ftler nicht nur für Län- der wie die USA, Indien oder Südafrika, sondern auch für viele europäisch­e Staaten fest. »Die Wahrnehmun­g, dass in den letzten Jahrzehnte­n vor allem die »alten« Industriel­änder unter einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich leiden, entspricht also in vielen Fällen durchaus der Realität«, schließen die Autoren des Berichts.

Betrachtet man den neuen Allianz-Ungleichhe­itsindex, dann steht Deutschlan­d übrigens in Sachen Ungleichhe­it auf einem unrühmlich­en sechsten Platz. Einen Grund für diese relativ hohe Ungleichhe­it sehen die Ökonomen in der Wiedervere­inigung. So besitzen die Menschen im Osten weniger als im Westen.

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Foto: AFP/Andrew Cabellero-Reynolds »Fight Poverty«, »bekämpft die Armut« heißt es bei Protesten vor dem US-Kapitol.

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