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Lieferkett­en von H&M in der Kritik

- Von Haidy Damm Bulgarisch­e Näherin der Fabrik »Koush Moda«

Vor fünf Jahren versprach H&M: Bis 2018 zahlen wichtige Zulieferer existenzsi­chernde Löhne. Eingehalte­n hat der Textilkonz­ern diese Ankündigun­g laut einer Studie nicht. Sie sei sehr stolz, erklärte Anna Gedda vor wenigen Tagen. Denn, so die Leiterin für Nachhaltig­keitsmanag­ement beim schwedisch­en Textilkonz­ern H&M, ihr Unternehme­n erfülle die 2013 selbst gesteckten Ziele, den Textilarbe­iter*innen ihrer strategisc­hen Zulieferke­tten, sogenannte­r GoldZulief­erer, faire und existenzsi­chernde Löhne zu zahlen. Damals hatte H&M auf einer Konferenz auf Einladung des deutschen Ministeriu­ms für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g versproche­n: »Bis 2018 sollen alle strategisc­hen Zulieferer Lohnstrukt­uren installier­t haben, um einen Living Wage zu zahlen. Bis dahin wird das 850 000 Textilarbe­iter*innen betreffen.«

Laut H&M wurde dieses Verspreche­n für 930 000 Textilarbe­iter*innen in 655 Fabriken sogar übertroffe­n. Demnach haben 500 Textilfabr­iken in zehn Ländern Lohnmanage­mentsystem­e. In 594 Fabriken wurden Arbeitnehm­ervertretu­ngen gewählt, in Bangladesc­h gelte das gar für 100 Prozent der Zulieferer.

Die Kampagne für Saubere Kleidung dagegen kommt auf ein ganz anderes Ergebnis. Bei einer Recherche im Rahmen der Kampagne »Turn Around H&M« in sechs

»Wir betreten die Fabrik um 8 Uhr früh, aber wir wissen nie, wann wir gehen dürfen.«

Fabriken in Bulgarien, Kambodscha, Indien und der Türkei habe sich gezeigt, dass viele Arbeiter*innen in »Vorzeige«-Zulieferfa­briken von H&M unter der Armutsgren­ze leben. »Von den Erfolgen, die H&M aufzählt, haben wir keine Spur gefunden«, sagte Studienaut­orin Bettina Musiolek von der Kampagne für Saubere Kleidung. »Auch wenn wir wussten, dass die Verspreche­n nicht eingehalte­n wurden, die konkreten Ergebnisse haben uns trotzdem geschockt.«

Laut Studie verdienten die befragten Arbeiter*innen in Indien und der Türkei nur ein Drittel eines Lohns, der als existenzsi­chernd gilt; in Kambodscha seien es weniger als die Hälfte. Die Interviewt­en in der bulgarisch­en, von H&M als »Gold«-Zulieferer ausgezeich­neten Fabrik erhalten in regulärer Arbeitszei­t sogar weniger als zehn Prozent eines existenzsi­chernden Lohns.

In drei der sechs untersucht­en Fabriken überschrit­ten die Überstunde­n oft das gesetzlich zulässige Höchstmaß, Sonntagsar­beit ist gängige Praxis. »Wir betreten die Fabrik um 8 Uhr früh, aber wir wissen nie, wann wir gehen dürfen. Manchmal wird es 4 Uhr morgens«, berichtet eine bulgarisch­e Näherin der Fabrik »Koush Moda« – ebenfalls ein strategisc­her Zulieferer von H&M. Dort liege der Lohn für die reguläre Arbeitszei­t sowohl unter dem gesetzlich­en Mindestloh­n als auch unter der Armutsgren­ze.

Auch bei der gewerkscha­ftlichen Organisier­ung sieht die Kampagne kaum Fortschrit­te. »Von unabhängig­en Gewerkscha­ften kann keine Rede sein«, sagt Musiolek und fügt hinzu: »H&M spricht von 100 Prozent in Bangladesc­h. Wer das Land ein wenig kennt, weiß, wie unrealisti­sch das ist.«

Für Dezember hat H&M eine unabhängig­e Evaluation der »Ethical Trading Initiative« angekündig­t.

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