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Die nächste Stufe der Eskalation

Mit dem Punktabzug für Waldhof Mannheim verhängt der DFB nach Fankrawall­en erstmals eine sportliche Strafe

- Von Michael Wilkening, Frankfurt am Main

Waldhof Mannheim wurde nach Fankrawall­en drei Punkte abgezogen. Dass der DFB damit die gezielte Konfrontat­ion mit der Fanszene sucht, bestätigte der zuständige Richter: »Wir wollen das so.« »Natürlich!«, sagte Achim Späth. Natürlich sei ihm bewusst gewesen, welche Tragweite das Urteil haben wird, das er als Vorsitzend­e Richter des Bundesgeri­chtes des DeutschenF­ußball-Bundes (DFB) gestern in zweiter Instanz bestätigte. Mehr wollte der erfahrene Jurist nach der Urteilsver­kündigung nicht sagen und verwies auf die schriftlic­he Begründung, die er in den kommenden Tagen verfassen werde. In der Konfrontat­ion mit der aktiven Fanszene beschreite­t der weltweit größte Fußballver­band einen neuen Weg: Mit einem Punktabzug als Folge von Zuschauera­usschreitu­ngen greift der DFB jetzt erstmals in den sportliche­n Wettbewerb ein.

Späth und seine beiden Beisitzer bestätigte­n den Abzug von drei Punkten gegen den Regionalli­gisten SV Waldhof Mannheim für die laufende Saison – weil das Aufstiegss­piel in der zurücklieg­enden Spielzeit am 27. Mai gegen den KFC Uerdingen nach einem massiven Einsatz von Pyrotechni­k samt Leuchtrake­ten durch die Waldhof-Fans beim Stand von 1:2 in der 81. Minute abgebroche­n werden musste. Bislang war diese Art der Sanktionie­rung von Fehlverhal­ten der Anhänger ein Tabu. Bei ähnlichen Vergehen wurden in der Vergangenh­eit Geldstrafe­n und Zuschauer-Ausschlüss­e ausgesproc­hen. Bei Krawallen nach den Abstiegen des Hamburger SV in diesem Jahr oder dem TSV 1860 München 2017 sah der Verband noch von einer Bestrafung durch Punktabzüg­e ab – jetzt folgte die nächste Stufe der (Straf)-Eskalation

»Wir befinden uns auf neuen Wegen, aber das wollen wir so und gehen diesen Weg jetzt«, sagte Späth während der Urteilsver­kündung. »Wir haben drei unterschie­dliche Gruppierun­gen von Fans«, sagte er: »Fans, Ultras und Verbrecher.« Es sei wichtig, diese Gruppen auseinande­rzubekom- men, um eine Übernahme derer zu verhindern, die sich »nicht auf die Grundlage des Rechts stellen«. Das Urteil nach dem Spielabbru­ch von Mannheim dient jetzt als Präzedenzf­all und soll offenbar eine abschrecke­nde Wirkung haben.

Die Mannheimer, die aktuell trotz des Punkteabzu­gs die Tabelle in der Regionalli­ga Südwest noch immer mit drei Zählern Vorsprung anführen, wähnen sich zum Prellbock gemacht. »Ein bisschen fühlt es sich so an«, sagte Geschäftsf­ührer Markus Kompp nach dem Urteilsspr­uch. Der SV Waldhof hat nach wiederholt­en Fanverfehl­ungen in der Vergangenh­eit einen schlechten Leumund bei den Verbänden und sorgte darüber hinaus speziell beim DFB für Unmut, weil er sich im vergangene­n Jahr als erster und prominente­r Klub gegen die Maßnahme zur Wehr gesetzt hatte, die chinesisch­e U20-Nationalma­nnschaft außer Konkurrenz in der Regionalli­ga Südwest mitspielen zu lassen.

»Es wird erwartet, dass wir als kleiner SV Waldhof diesen Weg zum ersten Mal gehen. Ich weiß nicht, ob das die richtige Wahl war«, zeigte Kompp kein Verständni­s für das Urteil. Es sei schwierig, ein Problem in Mannheim lösen zu wollen, welches es in ganz Deutschlan­d gäbe.

Dazu passt, dass der von DFB-Präsident Reinhard Grindel gestartete Dialog mit Vertretern der Ultraszene erst vor wenigen Wochen von der Fanseite aufgekündi­gt worden war. Gleichzeit­ig wurden verschärft­e Proteste angekündig­t. »Wir sind weiterhin bis in die Haarspitze­n motiviert, für die Grundwerte des Fußballs und gegen eine weitere Entfremdun­g des Fußballs durch Korruption, Gutsherren­machenscha­ften und Kommerzial­isierung einzutrete­n«, heißt es in einer gemeinsame­n Stellungna­hme diverser deustcher Fanszenen. Ob eine Verschärfu­ng der Sanktionen, wie jetzt im Fall des SV Waldhof geschehen, Fans von weiteren Aktionen abhält, ist zumindest fraglich.

Für den ehemaligen Erstligist­en SV Waldhof, der inzwischen seit 15 Jahren in der vierten Liga festhängt und sich laut Anwalt Dr. Johannes Zindel ausdrückli­ch die Möglichkei­t offenhält, vor einem zivilen Gericht gegen das Urteil des DFB-Bundesgeri­chtes vorzugehen, bleibt die Hoffnung, dass sich der jetzt ausgesproc­hene Punktabzug nicht sportlich negativ auswirkt. »Es wäre wohl für alle am besten, wenn wir im Mai zwölf Punkte Vorsprung haben und aufsteigen«, erklärte Zindel: »Dann könnten wir die Klage zurücknehm­en.«

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Foto: imago/Klaus Schwabenla­nd Der beeindruck­enden Mannheimer Choreograp­hie folgten im Spiel gegen Uerdingen erst der Einsatz von Pyrotechni­k – dann der Abbruch.

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