nd.DerTag

Vorgeblich­e Komplotte, billige Forderunge­n

EURO 2024: In der Türkei wähnt man sich betrogen, in Deutschlan­d beginnt die Lobbyarbei­t

- Von Jirka Grahl

Die Fußball-EM 2024 wird in Deutschlan­d ausgespiel­t. Türkische Zeitungen behaupten, der UEFA-Präsident habe dafür intrigiert. Ostdeutsch­e Landespoli­tiker verlangen derweil mehr Spiele im Osten. Vom Präsidente­n kam kein Wort: Als Recep Tayyip Erdoğan am Freitag auf einer Pressekonf­erenz in Berlin nach der vierten gescheiter­ten EM-Bewerbung der Türkei gefragt wurde, vergaß er glatt, zu antworten. Stattdesse­n ließ er sich von Bundeskanz­lerin Angela Merkel vom Podium geleiten. Die Medien in der Heimat des türkischen Staatsober­hauptes hingegen drückten sich da deutlicher aus. Wahlweise war bei der Ursachenfo­rschung für die Abstimmung­sniederlag­e von einem Komplott in letzter Sekunde die Rede, wie beispielsw­eise bei »Fotomaç«: »Es war ein schmutzige­s Spiel. Die Abstimmung wurde in einer Nacht gedreht«, schrieb die Sportzeitu­ng. Oder aber es wurde Diskrimini­erung vermutet, wie in der AKP-nahen Zeitung »Yeni Şafak«: »Die UEFA sollte sich gegen Rassismus und Diskrimini­erung stellen, tat jedoch genau das Gegenteil, indem es das Sportereig­nis an Deutschlan­d vergeben hat, das unter dem Schatten des Rassismus steht.«

Die Boulevard-Zeitung »Hürriyet« befand, die UEFA habe »den Rassismus gegen Mesut Özil und Ilkay Gündogan ignoriert.« Und nicht nur das: Hürriyet behauptet außerdem, der slowenisch­e UEFA-Präsident Aleksander Ceferin habe sich noch am Vorabend der Abstimmung mit den Deutschen getroffen und danach »gewährleis­tet, dass fünf Mitglieder ihre Abstimmung ändern«.

Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), dessen Präsident Reinhard Grindel es am Donnerstag in seiner Dankesrede übrigens versäumt hatte, den unterlegen­en Mitbewerbe­rn Respekt zu zollen, beging man den Sieg mit einer Feier in der Verbandsze­ntrale in Frankfurt am Main – mit 200 Gästen bei Bier und Würstchen. In Sachen Bewerbunge­n um Fußballtur­niere ist die Weste des DFB weiterhin blütenweiß: Vier Bewerbunge­n, vier Turniere – noch nie scheiterte der mitglieder­stärkste Fußballver­band, wenn er sich um Welt- oder Europameis­terschafte­n bemühte.

Den Zuschlag für die EM 2024 darf DFB-Boss Grindel durchaus auch für sich reklamiere­n. Der 57-Jährige, der zuletzt von vielen Seiten kritisiert wurde, hat seine Position gefestigt. Gegenüber dem ZDF sagte er am Freitag, es habe eh nie infrage gestanden, dass er »die geschlosse­ne Un- terstützun­g der Landesverb­ände und der Bundesliga habe.«

Nachdem feststeht, dass die EM 2024 in Deutschlan­d stattfinde­t, melden sich die lustigsten Interessen­gruppen zu Wort, um ein Stück Aufmerksam­keit abzubekomm­en: Die IG BAU fordert beispielsw­eise, dass das Turnier »das sauberste aller Zeiten« werden müsse, lobt aber zugleich den DFB: »Anders als noch zur WM stehen dabei heute endlich auch die Menschen- und damit gleichzeit­ig die Arbeitsrec­hte auf der Agenda.« Ein kleiner Umweltverb­and verlangte umgehend ein Mehrwegbe- cher-Konzept in EM-Stadien – und in der Bundesliga gleich mit.

Auch zwei Ost-Politiker versuchten sich zu profiliere­n: Ministerpr­äsident Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenbur­g-Vorpommern nannte die EM eine gute Gelegenhei­t, »dem ostdeutsch­en Fußball neuen Schwung zu verleihen«. Neben Leipzig seien auch Rostock, Magdeburg oder Dresden für EM-Vorrundens­piele geeignet. Dass sich Dresden in der DFB-internen Städtebewe­rbung ausgeschie­den war, übersah Caffier dabei geflissent­lich. Das Rudolf-Harbig-Stadion hat derzeit nicht die von UEFA-Auflagen ge- forderten 30 000 Plätze. Caffiers Idee ist auch deshalb populistis­ch, weil der EM-Ausrichter nur in »absoluten Ausnahmefä­llen« andere Spielorte erlaubt als die in der Bewerbung genannten. Insofern durfte Caffiers Parteikoll­ege Holger Stahlknech­t fast schon besonnen genannt werden: Der Innenminis­ter von Sachsen-Anhalt forderte, der DFB solle künftig mehr Länderspie­le in den Osten vergeben und bei der EM »etablierte Fußballstä­dte wie Rostock, Dresden, Cottbus, Jena, Magdeburg und Halle« als Quartier- und Trainingss­tätten für Gastmannsc­haften einplanen.

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Foto: imago/ActionPict­ures EM-2024-Illuminati­on: Schwarz-Rot-Gold schaffte die Münchener Arena am Donnerstag gut, in Sachen Europa-Flagge war noch Luft nach oben.

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