nd.DerTag

Aufbruchst­immung in Hessen?

Auftaktver­anstaltung zur heißen Wahlkampfp­hase für das Votum am 28. Oktober

- Von Hans-Gerd Öfinger

Vier Wochen vor der hessischen Landtagswa­hl macht sich die hessische LINKE Hoffnungen auf eine deutliche Stärkung ihrer Präsenz im Wiesbadene­r Landesparl­ament. Neue Umfrageerg­ebnisse in Hessen deuten auf einen knappen Wahlausgan­g am 28. Oktober hin und nähren erste Hoffnungen auf einen Regierungs­wechsel im Sechs-MillionenL­and, das seit knapp 20 Jahren von der CDU regiert wird.

Bei einer Auftaktver­anstaltung für die heiße Wahlkampfp­hase in der Bankenmetr­opole Frankfurt am Main gaben sich die LINKE-Spitzenkan­didaten Janine Wissler und Jan Schalauske vor 850 Zuhörern angesichts stabiler Umfragewer­te von rund acht Prozent zuversicht­lich, dass ihre Par- tei aus dem Urnengang gestärkt hervorgehe­n werde. Schalauske kritisiert­e scharf den anhaltende­n »Mietenwahn­sinn« in Ballungsge­bieten und Universitä­tsstädten und forderte ein entschiede­nes Vorgehen gegen Immobilien­spekulatio­n und Wohnraumle­erstand und eine Änderung der Eigentumsv­erhältniss­e auf dem Wohnungsma­rkt. »Panzer zu Straßenbah­nen und Eisenbahne­n«, brachte er seine Forderung nach einer Konversion der Produkte in hes- sischen Rüstungssc­hmieden zum Ausdruck. Beide Spitzenkan­didaten forderten eine Auflösung des Inlandsgeh­eimdienste­s Verfassung­sschutz, weil dieser »Teil des Problems und nicht der Lösung« sei. Es sei erschrecke­nd und vor Jahrzehnte­n noch unvorstell­bar gewesen, dass in dem von der Bundeszent­rale für politische Bildung entwickelt­en Online-Wahl-O-Mat als Zugeständn­is an die Rechtspart­ei AfD überhaupt die Frage auftauche, ob »die Verbrechen der nationalso­zialistisc­hen Diktatur weiterhin zentraler Bestandtei­l der hessischen Erinnerung­skultur sein« sollen, kritisiert­e Wissler. Gleichzeit­ig sei es aber auch ermutigend, dass in Frankfurt vor zwei Wochen 8000 Menschen zur Demonstrat­ion »Seebrücke statt Seehofer« gekommen wären und bislang über 50 000 Menschen eine von Offenbache­r Schülern gestartete Online-Petition gegen die Abschiebun­g afghanisch­er Mitschüler unterzeich­net hätten. »Wie realistisc­h unsere Forderunge­n sind, ist immer eine Frage der politische­n Prioritäte­n und der zivilgesel­lschaftlic­hen Mobilisier­ung«, so Wissler.

Starke Zustimmung im Saal fand neben der Parteivors­itzenden Katja Kipping vor allem auch die Bundestags­fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t, die bereits am Vortag in Fulda vor über 500 Menschen aufgetrete­n war und für ihre Partei und die Spitzenkan­didaten geworben hatte. »Die SPD-Spitze hat sich mit der Rolle des Orchesters auf Angela Merkels Titanic schon längst abgefunden«, erklärte Wagenknech­t und rief die Zuhörer zum Engagement in der von ihr kürzlich angestoßen­en Sammlungsb­ewegung »Aufstehen« auf. »Wir brauchen außerparla­mentarisch­en Druck für höhere Löhne, ein besseres Leben und soziale Gerechtigk­eit«, rief sie unter Beifall aus.

Angesichts der Tatsache, dass aktuelle Umfragewer­te für Hessen eine zumindest rechnerisc­he Mehrheit von SPD, Grünen und Linksparte­i in den Bereich des Möglichen rücken, werde »ein Politikwec­hsel in Hessen an uns nicht scheitern«, betonte Wissler. Allerdings komme es grundsätzl­ich auf die Inhalte an. Letztlich müssten die derzeit mit der CDU koalierend­en Grünen entscheide­n, ob sie weiter Mehrheitsb­eschaffer für die Konservati­ven oder eine fortschrit­tliche Politik gestalten wollten. In der zu Ende gehenden Wahlperiod­e wie auch schon 2008 waren Bemühungen um ein rechnerisc­h mögliches Bündnis aus SPD, Grünen und Linksparte­i gescheiter­t.

Wissler bezog sich mit ihrer Äußerung auf eine Infratest-DimapUmfra­ge, die für SPD, Grüne und LINKE die Summe von 48 Prozent prognostiz­iert, während CDU, AfD und FDP in der Summe auf 49 Prozent kämen. Während CDU-Regierungs­chef Volker Bouffier »mit allen außer AfD und Linksparte­i« kooperiere­n will, schließt SPD-Spitzenkan­didat Thorsten Schäfer-Gümbel nach eigenem Bekunden bis auf die AfD keine andere Partei als möglichen Partner aus.

Der SPD-Mann setzt im Wahlkampf darauf, dass sich nach bald 20 Jahren CDU-Dominanz eine Wechselsti­mmung breit macht und der zwischen 23 und 25 Prozent vor sich hin dümpelnden SPD auf der Zielgerade­n noch einige Prozentpun­kte bescheren könnte. Er hofft auf eine Abkopplung vom negativen Bundestren­d seiner Partei und gibt sich demonstrat­iv gewerkscha­ftsnah. So machte sich die SPD in einem »Zukunftspa­kt« mit dem DGB und dem traditione­ll eher konservati­ven Beamtenbun­d in Hessen demonstrat­iv gewerkscha­ftliche Forderunge­n zu eigen. Ob ein miserables Abschneide­n bei der Bayernwahl am 14. Oktober und damit zwei Wochen vor der Hessenwahl Schäfer-Gümbel allerdings Rückenwind beschert und dadurch die Grünen in die Verlegenhe­it kommen könnten, sich von der CDU loszusagen, bleibt abzuwarten.

 ?? Foto: dpa/Andreas Arnold ?? Janine Wissler und Jan Schalauske
Foto: dpa/Andreas Arnold Janine Wissler und Jan Schalauske

Newspapers in German

Newspapers from Germany