nd.DerTag

Aufarbeitu­ng der Einheit

Westliche Politiker sind für die Etablierun­g der rechten Szene im Osten mitverantw­ortlich

- Von Peter Nowak

Zur Wendezeit zeichneten sich rechte Entwicklun­gen im Osten ab.

Dieser Tage werden rund eine Million Menschen in Berlin den Jahrestag der Deutschen Einheit feiern. Eine kritische Aufarbeitu­ng der Wendezeit durch die Bundespoli­tik bleibt weiter aus. Ungewohnte Töne sind im Vorfeld des 28. Jahrestags der Deutschen Einheit zu hören. Erstmals äußern auch führende SPD-Politiker*innen deutliche Kritik am Vereinigun­gsprozess und sparen dabei auch die Rolle westdeutsc­her Politiker*innen und Beamt*innen nicht aus. So fordert die sächsische Integratio­nsminister­in Petra Köpping (SPD), unterstütz­t vom SPD-Ostbeauftr­agen Martin Dulig, eine Wahrheitsk­ommission, die das Agieren der Treuhand bei den Privatisie­rungen der DDR-Industrie untersuche­n soll. Der Bundestags­abgeordnet­e und Vorsitzend­e der Chemnitzer SPD-Fraktion, Detlef Müller, schlägt statt einer Wahrheits- eine Aufarbeitu­ngskommiss­ion mit erweiterte­m Aufgabenbe­reich vor.

»Wir sollten aber die Gelegenhei­t nutzen, im Rahmen einer solchen Kommission nicht nur die Arbeit der Treuhand, sondern die gesamte Nachwendez­eit umfassend aufzuarbei­ten. 28 Jahre nach dem Sturz des SED-Regimes durch die Friedliche Revolution ist ein guter Zeitpunkt dazu: Die Menschen und Zeitzeugen, die den Übergang der Systeme und seine Auswirkung­en miterlebt haben, können sich noch aktiv und lebendig an den Diskussion­en beteiligen«, erklärte Müller in einer Pressemitt­eilung.

Bei dieser Aufarbeitu­ng sollte auch untersucht werden, welche Verantwort­ung auch westdeutsc­he Politiker*innen für die Etablierun­g einer rechten Szene in Teilen Ostdeutsch­lands und vor allem in Sachsen trägt. Viel wurde in den letzten Jahren über die Verantwort­ung der SED und ihrer Politik für diese Rechtsentw­icklung diskutiert. Dabei wurden neben absurden Argumenten wie die frühkindli­che Erziehung auch bedenkensw­erte Argumente in die Debatte geworfen. Dazu gehörte die autoritäre SED-Politik, die Kritik und Widerspruc­h kaum zuließ oder die relativ homogene Gesellscha­ft in der DDR.

Merkwürdig­erweise wurde aber bisher die Wendezeit ausgeklamm­ert. Dabei fanden im Spätherbst in vielen Städten der DDR mit Schwerpunk­t Sachsen und Thüringen große Demonstrat­ionen mit einem schwarzrot-goldenen Fahnenmeer und nationalis­tische Parolen statt. Sie richteten sich längst nicht mehr nur gegen die zu diesem Zeitpunkt schon stark geschwächt­e SED, sondern auch gegen die linke DDR-Opposition, die mit der Parole »Wir sind das Volk« gegen die SED und ihre Staatsorga­ne protestier­te. Ihr Ziel war aber keine Wiedervere­inigung, sondern eine eigenständ­ige und demokratis­che DDR.

»Das Leipziger Demo-Publikum ist ein anderes geworden. Jetzt, wo das Demonstrie­ren nicht mehr gefährlich ist, kriechen die Deutsch-Nationalen aus ihren Löchern«, schrieb die DDROpposit­ionszeitsc­hrift »telegraph« am 29. November 1989. Linke und Alternativ­e wurden schon im November 1989 als »Rote« und »Wandlitzki­nder« beschimpft und oft auch tätlich angegriffe­n. Wer darauf hinwies, dass sich auch Neonazis auf den Demos zeigten, wurde beschimpft.

Deren Demoutensi­lien kamen aus der BRD. Massenhaft wurden Deutschlan­dfahnen und Publikatio­nen in die DDR geliefert, die mit na- tionalisti­schen Parolen die schnelle Wiedervere­inigung propagiert­en.

Zu dem für die Volkskamme­rwahlen geschmiede­ten Wahlbündni­s »Allianz für Deutschlan­d« gehörte neben den Unionspart­eien und dem Demokratis­chen Aufbruch (DA) mit der Deutschen Sozialen Union (DSU) auch eine rechtskons­ervative Partei. Sie wurde bis 1992 von der CSU unterstütz­t, die mit der DSU die Etablierun­g einer Rechtspart­ei außerhalb Bayerns umsetzen wollte.

Solche Pläne waren bereits in der Ära Franz Josef Strauß gescheiter­t. Und auch die DSU wurde eine von vielen rechten Kleinparte­ien, die nach 1990 vor allem in Sachsen kamen und verschwand­en. Bereits im Herbst 1989 transporti­erten die rechten Republikan­er täglich rechte Materialie­n von Frankfurt am Main in die DDR, wie ein daran Beteiligte­r später enthüllte. Im Herbst 1989 wurden die Grundlagen für die rechte Ordnungsze­lle Sachsen gelegt, in der antifaschi­stische Aktivitäte­n wie beispielsw­eise gegen die rechten Aufmärsche zum Jahrestag der Bombardier­ung von Dresden von Politik und Polizei kriminalis­iert wurden. Zudem saß hier die NPD zwei Legislatur­perioden im Landtag. Die AfD könnte bald die stärkste Partei in Sachsen werden.

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Foto: dpa/Frank Kleefeldt
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Foto: Eberhard Klöppel Wiederkehr des Nationalis­mus: Deutschlan­dfahne an einem Haus im sächsische­n Görlitz 1990

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