nd.DerTag

Gleichwert­ig ist nicht gleich

- Stephan Fischer zum Stand der Deutschen Einheit

»Gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse« – dass dieses Postulat des Raumordnun­gsgesetzes mehr Chimäre als Lebenswirk­lichkeit beschreibt, wissen Menschen in Vorpommern ebenso wie in der Oberpfalz. Regionen, die abgehängt zu werden drohen, wenn sie es nicht schon sind, sind kein spezifisch ostdeutsch­es Problem. Trotzdem gibt es sie auch mehr als ein Vierteljah­rhundert nach dem politische­n Vollzug der Deutschen Einheit: Ostdeutsch­e Spezifika, die den gar nicht mehr so neuen Bundesländ­ern vor allem ökonomisch zum Nachteil gereichen. Rund zwei Millionen Menschen weniger als 1990 leben hier. Menschen, die vielfach vor allem der Arbeit hinterherg­ezogen sind. Menschen, die dem Osten fehlen – hier seien stellvertr­etend die Jungen, Qualifizie­rten, vor allem Frauen, genannt.

Gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse – dieses Ziel für alle Regionen des Landes zu postuliere­n, ist sicher nicht verkehrt. Dabei sollten jedoch zwei Punkte nicht unter den Tisch fallen. Zum einen ächzen auch die neuen Bundesländ­er unter den Folgen der »Schwarzen Null«. Jenseits der oft vorgebrach­ten blitzblank­sanierten Innenstädt­e bröckelt auch die Infrastruk­tur im Osten. Und ohne wirkliches Verständni­s und Anerkennun­g des tief greifenden Bruchs in fast allen ostdeutsch­en Biografien ab 1989 bis heute wird ein Gefühl der Gleichwert­igkeit nicht aufkommen können.

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