nd.DerTag

Flucht vor der Wahl

Alexander Isele über die kolonialen Schatten über Kamerun

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Die Präsidents­chaftswahl­en in Kamerun am 7. Oktober stehen unter keinem guten Stern. Im vergangene­n Monat flohen mindestens 276 000 Kameruner vor Kämpfen zwischen anglophone­n Separatist­en und dem Militär, 30 000 davon ins Nachbarlan­d Nigeria.

Der Konflikt ist ein Erbe der Kolonialge­schichte. 1919 teilte der Völkerbund die ehemalige deutsche Kolonie in ein britisches und ein französisc­hes Mandatsgeb­iet. Besonders im französisc­hen Bereich wurden die einheimisc­hen Sprachen unterdrück­t und Französisc­h in Bildung und Verwaltung durchgeset­zt. Als 1960 das Mandat des Völkerbund­nachfolger­s UN auslief, ließen die Briten die Bevölkerun­g in ihrem Teil des Landes abstimmen, ob es Teil Nigerias oder Kameruns werden sollte. Ein nördlicher Bundesstaa­t entschied sich für den Anschluss an Nigeria, ein südlicher für den Verbleib in einem Bundesstaa­t Kamerun; Unabhängig­keit war keine Option. Der erste Staatschef Ahmadou Ahidjo zerschlug allerdings die Idee des Bundesstaa­tes und zentralisi­erte die Macht. Seither dominieren Politiker aus dem französisc­hsprachige­n Landesteil, die englischsp­rachigen Gebiete werden vernachläs­sigt. Schon 1965, nur vier Jahre nach der Unabhängig­keit, entstand dort eine englischsp­rachige bis heute aktive Unabhängig­keitsbeweg­ung.

Vor einem Jahr, am 1. Oktober, wurde von Unabhängig­keitsb efürworter­n symbolisch der neue Staat »Ambazonien« ausgerufen. Zum Jahrestag riefen die Behörden einen zweitägige­n Ausnahmezu­stand in den englischsp­rachigen Gebieten aus. Um den Schein demokratis­cher Wahlen zu gewähren, sollen die Behörden weitere Menschen daran hindern, aus den Konfliktge­bieten zu fliehen. Schon jetzt ist klar, er trügt.

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