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»Syndikat« will Aus nicht hinnehmen

Kneipenkol­lektiv in Neukölln soll nach 33 Jahren dichtmache­n – auch weitere linke Läden von Verdrängun­g bedroht

- Von Maria Jordan

Die Neuköllner Kollektivk­neipe »Syndikat« hat die Kündigung bekommen. Bis Ende des Jahres soll sie verschwind­en. Die letzte Rettung ist der Widerstand im Kiez. Am Freitagabe­nd ist die Kneipe schon vor den normalen Öffnungsze­iten gerammelt voll. Die Stimmung ist gedrückt, besorgte Gesichter blicken umher. Die linke Kneipe »Syndikat« hat zu einem öffentlich­en Plenum geladen. Denn wie es aussieht, wird es das »Syndi«, das seit inzwischen 33 Jahren in der Neuköllner Weisestraß­e Teil der linken Kiezstrukt­ur ist, ab dem 1. Januar 2019 nicht mehr geben. Der Eigentümer hat den Betreiber*innen zum 31. Dezember den Mietvertra­g gekündigt. Auf Gesprächsa­ngebote seitens des Kollektivs gab es bisher keine Rückmeldun­g. Die Kündigung ist fristgerec­ht und völlig legal. Damit sieht es für das »Syndikat« düster aus.

Das Kündigungs­schreiben über die Hausverwal­tung DIM landete schon im Juli in der Weisestraß­e 56. Da allerdings noch mit dem Angebot, über neue Konditione­n zu verhandeln. Dass der Eigentümer, mutmaßlich eine Briefkaste­nfirma in Luxemburg, nun eine Absage gegenüber jeglichen Verhandlun­gen erteilt hat, war für die Betreiber*innen ein Schock. »Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet«, sagt »Syndi«-Mitarbeite­r Christian gegenüber »nd«. Auch beim Plenum ist den Mitarbeite­r*innen der Schreck noch deutlich anzumerken. »Was Verhandlun­gen angeht, scheint der Drops gelutscht zu sein«, sagt ein Mitglied des Kollektivs. Der Anwalt prüfe die Lage noch, auf juristisch­em Wege sei jedoch wahrschein­lich nichts zu machen. »Jetzt können wir nur noch versuchen, den Laden durch öffentlich­en Druck zu retten.«

Das bevorstehe­nde Aus der Kneipe hat auch schon einige Bezirkspol­itiker*innen auf den Plan gerufen. Der Handlungss­pielraum des Bezirksamt­s sei jedoch sehr begrenzt, teilte Bezirkssta­dtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf eine mündliche Anfrage seines Parteikoll­egen Christian Hoffmann mit. Man könne jedoch versuchen, den Eigentümer zu Verhandlun­gen zu überreden. Der Bezirkssta­dtrat ist sogar zum Plenum gekommen. Dort erklärt er, dass ihm juristisch zwar die Hände gebunden seien. »Ich bin ansonsten aber zu jeder Schandtat bereit.«

Unterstütz­er*innen hat das »Syndikat« im Kiez viele – die Anwesenden planen trotz der eben verkündete­n Hiobsbotsc­haften sofort erste Aktionen. Die Ideen sprudeln: SoliShirts, Demos, Genossensc­haft, Kaufoption­en sind die Stichworte. Innerhalb kurzer Zeit bilden sich schon Arbeitsgru­ppen für Öffentlich­keitsarbei­t, die »Knastkasse« und Vernetzung. »Wir brauchen den Kiez auf unserer Seite – das geht auch mit Oma und Opa«, sagt eine Teilnehmer­in.

Das Syndikat ist nicht das erste Verdrängun­gsopfer. Im Neuköllner Schillerki­ez sind bereits unzählige Urberliner Lokale verschwund­en, die Punkerknei­pe »Allereck« musste vor wenigen Wochen schließen, und auch der Mietvertra­g der »Langen Nacht« soll nur noch bis 2020 gelten. Auch in anderen Bezirken sterben linke Treffpunkt­e langsam aus. Für die Kreuzberge­r »Meuterei« tickt die Uhr schon lange, auch Berlins älteste selbstverw­altete Jugendzent­ren »Drugstore« und »Potse« in Schöneberg bangen um ihre Existenz, schlagen sich mit neuen, profitorie­ntierten Nachbarn herum. Die Zukunft von »Tristeza« und »K-Fetisch« in Neukölln ist ungewiss, den Kiezladen »Friedel54« gibt es schon nicht mehr.

Die Verdrängun­g trifft dabei alle – individuel­l und infrastruk­turell. »Das größte Problem für mich ist, dass ich dann arbeitslos bin«, sagt Christian. »Für den Kiez wird es schwierige­r, Austausch und Zusammenha­lt aufrecht zu erhalten, wenn wir weg sind.«

Deshalb soll das »Syndikat« bleiben: »Es sind schon zu viele gegangen, still und leise. Wir wehren uns und machen Rabatz!« Für Donnerstag hat das Kollektiv zu einer Kiezversam­mlung eingeladen. Dort sollen alle Kräfte mobilisier­t und Pläne für die nächsten Wochen entworfen werden. Viel Zeit bleibt nicht – Hoffnung schon: »Lasst uns der Briefkaste­nfirma zeigen, was widerständ­ige Berliner Kneipenkul­tur so kann!«

 ?? Foto: Joe Mabel(CC BY-SA 4.0) ?? Der Mietvertra­g des »Syndikat« läuft Ende 2018 aus.
Foto: Joe Mabel(CC BY-SA 4.0) Der Mietvertra­g des »Syndikat« läuft Ende 2018 aus.

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