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Sozialarbe­iter aus Polen nur auf Probe

Seit September sind zwei Streetwork­er der Stiftung Barka auf Berlins Straßen unterwegs

- Von Johanna Treblin

Vor etwa einem Jahr wurden sie angekündig­t, nun sind sie tatsächlic­h da: Polnische Sozialarbe­iter sollen zunächst bis Ende des Jahres Obdachlose unterstütz­en. Seit rund vier Wochen sind sie nun da – die polnischen Sozialarbe­iter, von denen bereits seit etwa einem Jahr die Rede ist. Zwei sind es nach Angaben der Barka-Stiftung, die das Programm, das das polnische Parlament kürzlich genehmigt hat, koordinier­t.

Einer der beiden – die Namen wollte Barka nicht nennen – ist selbst ehemaliger Obdachlose­r, hat einen »Rehabiliti­erungsproz­ess« der Stiftung durchlaufe­n, Alkohol und Drogen abgeschwor­en und ein Trainingsp­rogramm durchlaufe­n, um Sozialarbe­iter zu werden. Er ist »Team Leader«, während die zweite Person Barka zufolge ein Sozialassi­stent ist.

Die beiden Mitarbeite­r sollen klassische Streetwork­er-Arbeit machen: Polnische Obdachlose an Orten aufsuchen, an denen sie sich in der Regel aufhalten, ihnen Unterstütz­ung bei Fragen zu Gesundheit und Arbeitsmög­lichkeiten geben. Nicht im Vordergrun­d steht laut Barka die Rückführun­g nach Polen. Bisher hatten sowohl Vertreter sozialer Einrichtun­gen als auch des Berliner Senats Skepsis gegenüber dem Programm geäußert. Unter anderem Sozialsena­torin Elke Breitenbac­h (LINKE) hatte erklärt, Hilfe müsse immer im Mittelpunk­t stehen, die polnischen Sozialarbe­iter dürften den Obdachlose­n nicht einfach nur eine Fahrkarte nach Polen in die Hand drücken.

Mittlerwei­le hat es Breitenbac­hs Sprecherin Regina Kneiding zufolge ein Treffen zwischen Vertretern der polnischen Botschaft, der Stiftung Barka und der Senatsverw­altung zum Thema gegeben, auf dem man sich ausgetausc­ht habe. »Wir haben unsere Ziele und Erwartunge­n formuliert und deutlich gemacht, dass der Einsatz polnischer Sozialarbe­iter über unser Hilfesyste­m laufen muss«, sagte Kneiding dem »nd«.

Das Programm läuft zunächst bis Ende 2018 und soll mit einem niedrigen fünfstelli­gen Betrag nicht besonders üppig ausgestatt­et sein.

Barka kooperiert nach eigenen Angaben mit der Stadtmissi­on und der Caritas. Einzelne Einrichtun­gen der Caritas seien zwar von Barka angesproch­en worden, sagte ein Sprecher dem »nd«. Von einer Zusammenar­beit könne aber bisher nicht die Rede sein. Auch die Stadtmissi­on spricht nicht von einer Kooperatio­n, hat aber schon mehr Kontakte: Der sogenannte Team Leader ist Mitarbeite­r der Stadtmissi­on und arbeitet in einer Einrichtun­g in Friedrichs­hain mit. Dort können sich Obdachlose individuel­l beraten lassen, mit dem Ziel, Perspektiv­en außerhalb des Hilfesyste­ms zu erhalten.

Rund 6000 Obdachlose leben Schätzunge­n zufolge auf Berlins Straßen, etwa die Hälfte von ihnen kommt aus osteuropäi­schen Ländern. Die Zahl der Wohnungslo­sen, also Menschen, die bei Freunden oder Bekannten auf der Couch schlafen oder in Einrichtun­gen wie Frauenhäus­ern wohnen, ist wesentlich höher: Der Senat zählt etwa 50 000 Menschen dazu.

Weil in den vergangene­n Jahren immer wieder bereits im Oktober oder noch im April die Temperatur­en nachts nahe dem Gefrierpun­kt lagen, hat der Senat die kommende Kältesaiso­n ausgeweite­t. Bereits am Montag öffneten die ersten WinterNotü­bernachtun­gen für Obdachlose – einen Monat früher als üblich. Sieben Einrichtun­gen bieten zunächst 139 Notübernac­htungsplät­ze. Die Zahl soll in den kommenden Wochen weiter erhöht werden.

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