nd.DerTag

Erst Gartenscha­u, jetzt Rechtsrock?

Die thüringisc­he Stadt Apolda bangt um ihr Image

- Von Katrin Zeiß, Apolda

In Mattstedt bei Apolda konnten die Behörden erstmals ein NeonaziKon­zert in Thüringen gerichtlic­h verhindern. Nun haben es die Rechtsextr­emen auf den Marktplatz von Apolda abgesehen. Am Renaissanc­e-Rathaus von Apolda blühen die Blumen in den Kästen vor den Sprossenfe­nstern noch üppig rot. Wenn Bürgermeis­ter Rüdiger Eisenbrand (Freie Wähler) aus dem Fenster seines Büros blickt, sieht er den hübsch sanierten Markt mit alten Bürgerhäus­ern, einem Brunnen, Cafés und Geschäften. Eisenbrand schaut sorgenvoll. Ausgerechn­et vor der gelb getünchten Rathausfas­sade, an der ein Banner für Toleranz und bunte Vielfalt wirbt, wollen sich Anfang Oktober Tausende Rechtsextr­eme zu einem zweitägige­n Rechtsrock-Festival versammeln. Für Bürgermeis­ter und Stadtrat der 22 000 Einwohner zählenden Kreisstadt des Weimarer Landes ist das mehr als eine Provokatio­n.

»Vor den Hassbotsch­aften, die ein solches Konzert transporti­ert, muss man die Bürger beschützen«, sagt Eisenbrand. Die Stadtratsf­raktionen haben in einem offenen Brief die Landesregi­erung und Fraktionen im Landtag um Unterstütz­ung gebeten, um das Konzert am 5. und 6. Oktober doch noch zu verhindern. Der Anmelder, ein Rechtsextr­emer aus Ostthüring­en, hat das Konzert nach dem Versammlun­gsrecht als politische Kundgebung angemeldet. Verbote solcher Veranstalt­ungen sind zuletzt in Thüringen immer wieder gerichtlic­h gescheiter­t. Ein Bürgerbünd­nis hat zum friedliche­n Protest aufgerufen.

Parallel zum geplanten Konzert in der Kreisstadt haben sich die UltraRecht­en auch im 20 Autominute­n entfernten Magdala, nahe der Autobahn 4, einen Ausweichpl­atz auf einem Privatgelä­nde gesichert.

Vielen in Apolda sind noch die prachtvoll­en Bilder von der Landesgart­enschau im vergangene­n Jahr in Erinnerung, zu der mehr als 350 000 Besucher in die Stadt kamen. Jetzt sorgen sich Geschäftsl­eute um die Sicherheit ihrer Kunden, sollten Tausende Rechtsextr­eme zwei Tage lang die Stadt in Beschlag nehmen. »Ich mache so lange zu, das kann ich meinen Kunden nicht zumuten«, sagt eine Geschäftsf­rau, die in ihren Räumen am Markt Protestfly­er des Bürgerbünd­nisses ausgelegt hat.

Das geplante Konzert gilt als Ersatz für eine Rechtsrock­veranstalt­ung, die die Behörden Ende August in Mattstedt verhindert hatten. In dem fünf Kilometer von der Kreisstadt entfernten 500-Seelen-Dorf war den Veranstalt­ern praktisch in letzter Minute die Nutzung eines ehemaligen Fabrikgelä­ndes aus eigentumsr­echtlichen Gründen untersagt worden.

Für die Mobile Beratung gegen Rechtsextr­emismus in Thüringen (Mobit) kommt es nicht überrasche­nd, dass sich die Veranstalt­er nun Apolda ausgesucht haben. Die rechtsextr­eme Szene betreibe Kneipen in der Stadt und einen OnlineShop für Rechtsrock-CDs und NaziDevoti­onalien, habe eigene Immobilien und sei bestens vernetzt. »Dort, wo Rechtsextr­emisten über Immobilien verfügen, verfestigt sich die rechtsextr­emistische Szene«, sagt auch ein Sprecher des Thüringer Innenminis­teriums unter Verweis auf den aktuellen Verfassung­sschutzber­icht, der für den Freistaat von 835 Rechtsextr­emisten und einer höheren Zahl von Sympathisa­nten ausgeht.

In Apolda ist es in der Vergangenh­eit wiederholt zu rechtsextr­emen Vorfällen gekommen. Am 1. Mai 2017 waren 150 radikale Rechte aus meh- reren Bundesländ­ern an Ausschreit­ungen rund um den Bahnhof beteiligt. Sie waren auf der Rückfahrt von einer Demonstrat­ion in Halle (Sachsen-Anhalt) dort aus dem Zug gestie- gen. Einige Jahre zuvor hatten ein Überfall auf den Apoldaer Faschingsu­mzug und die offene Bedrohung zweier Geschäftsf­rauen durch radikale Rechte für Schlagzeil­en gesorgt.

Auch wegen antisemiti­scher Provokatio­nen gegen das Wohnhaus einer Apoldaer Familie, die im Holocaust ermordet worden war, hatte die Polizei zu ermitteln. Ein Verein hat aus dem Haus mit Unterstütz­ung von Land und Kommune ein Begegnungs­zentrum gemacht und auch dafür gesorgt, dass in der Stadt inzwischen 70 Stolperste­ine an NS-Opfer erinnern. Trotzdem muss er um Akzeptanz in der Stadt kämpfen, wie der Bürgermeis­ter beobachtet. »Er verdient viel mehr öffentlich­e Anerkennun­g.«

Thüringen sei »wegen seiner zentralen Lage und seinen hier entstanden­en Strukturen zu einer Hochburg für rechtsextr­eme Veranstalt­ungen geworden«, betont Innenminis­ter Georg Maier (SPD) immer wieder. Mobit hat in den vergangene­n Jahren 52 als politische Kundgebung angemeldet­e Konzerte gezählt. Eines davon im südthüring­ischen Themar wurde im vergangene­n Jahr von rund 6000 Rechtsextr­emen besucht – es gilt als das bislang größte.

Vielen in Apolda sind noch die prachtvoll­en Bilder von der Landesgart­enschau in Erinnerung, zu der mehr als 350 000 Besucher kamen. Jetzt sorgen sich Geschäftsl­eute um die Sicherheit ihrer Kunden, sollten Tausende Rechtsextr­eme die Stadt in Beschlag nehmen.

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Foto: dpa/Martin Schutt Sanierte Häuser am Markt von Apolda – nun haben es die Rechtsextr­emen auf den Marktplatz abgesehen.

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