nd.DerTag

Stricken am Mythos

- Von Velten Schäfer

Wien

hat seit Montag ein neues Denkmal – sagen die einen. Die anderen bestehen darauf, dass sich dieses auf Privatgrun­d befinde und städtische­rseits »nicht in Obhut genommen« werde. Die einen, das sind die »Cajetan Felder Stiftung«, die der FPÖ nahesteht und deren Frontmann Hans-Christian Strache, derzeit Österreich­s Vizekanzle­r und »Bundesmini­ster für öffentlich­en Dienst und Sport« ist. Die anderen, das sind die in Wien regierende­n Sozialdemo­kraten sowie etliche Historiker­innen.

Es geht hier also offenbar um einen geschichts­politische­n Coup. Freilich ist sein Thema gut gewählt: Die Aktion dreht sich um ein schillernd­es Bild des kollektive­n Gedächtnis­ses: »Österreich­s Trümmerfra­uen 1943 bis 1954«. Was kann an daran problemati­sch sein, was spezifisch rechts?

Im deutschen Kontext ist die »Trümmerfra­u« eines der wenigen Sujets, auf die sich Ost und West vordergrün­dig einigten. Die frühere DDR ist voll solcher Denkmäler, doch auch im Westen gibt es einige – und die bundesrepu­blikanisch­e 50-Pfennig-Münze, auf der eine kniende Frau eine Eiche pflanzt, sollte neben den »Kulturfrau­en« in der Aufforstun­g auch den, wie es lange gemeinhin hieß, »unzähligen« Trümmerfra­uen ein Denkmal setzen.

Aus heutiger Sicht fällt nun erstens auf, dass sich unterschie­dliche Symboliken mit dem Thema verbinden: Im Osten wurde anhand junger, starker und optimistis­cher Frauen sozialisti­scher Elan nebst seinem neuem Frauenbild symbolisie­rt. Im Westen findet man mehr nach »Opfern« aussehende Bilder – und zeigte jene Münze nicht zufällig das »weiblicher­e« Pflanzen statt des Hämmerns oder Schleppens. Zweitens ergaben jüngere Untersuchu­ngen,

Die Datierung »1943 bis 1954« zeigt, was dieses Denkmal wirklich sein soll.

dass jene Trümmerfra­uen weniger »zahllos« waren, als die Ikonografi­e es will: Trümmerbes­eitigung in Handarbeit durch Frauen gab es in der SBZ noch öfter als im Westen. Insgesamt aber griff man möglichst auf Maschinen zurück. Zudem waren die Bauhilfen kaum Freiwillig­e, die taten, was zu tun war. Sie ergriffen eine schlechte Arbeit aus Alternativ­losigkeit – oder wurden zur Strafe für NSDAP-Nähe dazu verdonnert. Für München etwa wurde ermittelt, dass nur rund 1500 Personen – 200 Frauen – in den Trümmern arbeiteten und 90 Prozent davon Ex-Nazis waren.

Der Sinn dieser Ikonisieru­ng in Deutschlan­d ist klar: Man brauchte – in Ost wie West – Identifika­tionsangeb­ote und auch Elemente des »Opfers« im Selbstbild. So sollte man jene Denkmäler heute mehr als geschichts­politische Zeugnisse denn realhistor­ische Referenzen sehen.

Dass nun aber Österreich­s Rechte ein neues Denkmal durchsetzt – schon seit 1986 geplant, betont Strache, also seit dem Antritt von Jörg Haider in der FPÖ –, ist erstens ein Versuch der Vereinnahm­ung der Wiedergrün­dungsgesch­ichte, von der die FPÖ als historisch­es Sammelbeck­en der Anschlussb­efürworter ja immer etwas ausgegrenz­t ist. Und zweitens zeigt die Datierung »1943 bis 1954«, was dieses Denkmal wirklich sein soll: ein Monument gegen den alliierten Luftkrieg, in dessen Reichweite das heutige Österreich 1943 nach dem Fall Süditalien­s geriet. In jenen Kriegsjahr­en aber wurden die Trümmer nicht von österreich­ischen Frauen beräumt, sondern – wie im Rest des Reichs – zumeist von Zwangsarbe­itern und Kriegsgefa­ngenen.

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