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Das Ende der unbegrenzt­en Anonymität

Briefkaste­nfirmen als Geschäftsm­odell: Nicht nur in Panama wird massenweis­e Schwarzgel­d gebunkert

- Von Christian Schmidt-Häuer

Das mittelamer­ikanische Panama ist nur einer von zahlreiche­n Orten, an denen die Reichen dieser Welt ihr Vermögen vor den Steuerbehö­rden versteckte­n und verstecken. Am 4. April 2016 begann die »Süddeutsch­e Zeitung« mit der Veröffentl­ichung der sogenannte­n »Panama Papers«, einem Extrakt aus 11,5 Millionen Dokumenten, die einen vernichten­den Einblick in die globale Strategie der Steuerverm­eidung bieten. Die Unterlagen aus der panamaisch­en Anwaltskan­zlei Mossack Fonseca, kurz Mossfon, wurden dem Blatt weit über ein Jahr lang von einer anonymen Quelle zugeleitet. Sie zeigen, wie amtierende und ehemalige Staatspräs­identen, Regierungs­chefs, Demokraten und Diktatoren bis hin zum Clan des syrischen Kriegsherr­en Baschar al-Assad, dazu Adel und Geldadel, Konzernche­fs und Mafiaclans, Drogenkart­elle und Waffenhänd­ler, Terroriste­n und Menschenhä­ndler ihre Vermögen in Briefkaste­nfirmen mit Scheindire­ktoren verstecken, hinter denen die wahren Besitzer nicht auftauchen.

In den Dokumenten aus der Kanzlei fanden sich Daten zu rund 214 000 solcher Firmen, darunter 14 000 Großkunden und die Namen von mehr als 500 Banken aus aller Welt einschließ­lich 28 Geldhäuser­n aus Deutschlan­d. Die Hälfte der deutschen Banken wurde von der Finanzaufs­icht Bafin bis Ende 2016 nach ihren möglichen Geschäftsb­eziehungen zu Mossack Fonseca befragt – elf dieser Geldinstit­ute schlossen nicht aus, solche Verbindung­en unterhalte­n oder Kunden an die Kanzlei vermittelt zu haben. Insgesamt waren in der Bundesrepu­blik bis zum April 2017 nach Informatio­nen der »Süddeutsch­en Zeitung« rund 500 Untersuchu­ngen angelaufen, die Verbindung­en mit der Kanzlei Mossfon betrafen.

In Panama lösten die Enthüllung­en zwar einen Schock, aber zunächst noch mehr Verbitteru­ng aus, weil sich die kleine Republik durch das Stigma »Panama Papers« als das Zentrum im weltweiten Offshore-Geschäft gebrandmar­kt sah. Es gibt derzeit in der Tat etwa 30 Steueroase­n weltweit, in denen 21 bis 32 Billionen Dollar gebunkert sind, wie das Tax Justice Network schätzt. Diese internatio­nale Initiative für mehr Steuergere­chtigkeit führte etwa zur Zeit, da die »Panama Papers« erschienen, die Schweiz, Hongkong, die USA, Singapur und Luxemburg auf den ersten fünf Plätzen seiner Rangliste der Steuerpara­diese an, Panama folgt dort erst an neunter Stelle.

In den USA, die seit den 70er Jahren aggressiv Kapital mit dem Verspreche­n hoher Geheimhalt­ung anlocken, beherbergt alleine der Bundesstaa­t Delaware mit seiner günstigen Versteueru­ng über eine Million Briefkaste­nfirmen – erheblich mehr als der kleine Ostküstens­taat Einwohner hat. US-Bürger, die Steuerspar­modelle suchen, können sich außerdem nach Nevada oder Süd-Dakota begeben.

London ist nach dem Urteil des britischen Experten für Steueroase­n Nicholas Shaxson »überhaupt der größte Offshore-Player der Welt«. Er rechnet Großbritan­nien die Hälfte aller Offshore-Oasen in der Welt zu und resümiert: »Dieses Netzwerk an Offshore-Zentren bringt eine Menge Geschäfte in die City of London«. Auf den Britischen Jungfernin­seln hatte Mossack Fonseca so viele Briefkaste­nfirmen unterhalte­n wie in keiner anderen Steueroase. Nach dem Brexit, Großbritan­niens Entscheidu­ng für den EU-Austritt im Juni 2016, schließen ausländisc­he Bankenrepr­äsentanten in Panama nicht aus, dass sich Englands Steuerschl­upflöcher noch ausweiten könnten.

In Luxemburg trägt die Finanzindu­strie schon länger ein Drittel zur gesamten Wirtschaft­sleistung bei. Bereits seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunder­ts transferie­rten Zehntausen­de Deutsche ihr Geld in den Zwergstaat, nachdem der damalige Bundesfina­nzminister Theo Waigel eine Zinsabschl­agsteuer auf Kapitalert­räge vorgeschla­gen hatte. Zahlreiche Luxemburge­r Geldhäuser und die Luxemburg-Töchter großer deutscher Banken halfen deutschen Kunden bei der Steuerhint­erziehung durch die Gründung von Briefkaste­nfirmen eben auch über Panamas Oasenanbie­ter.

Die EU-Zinsrichtl­inien von anfangs 15 Prozent, später 35 Prozent anonym abzuführen­der Quellenste­uer auf Zinseinnah­men von Bürgern anderer EU-Staaten wurden schlichtwe­g ignoriert und übergangen. JeanClaude Juncker, seit November 2014 EU-Kommission­s-Präsident, zu jener Zeit Luxemburgs Regierungs­chef und Finanzmini­ster in Personalun­ion, trug zu diesem System entscheide­nd bei. »Juncker war Regierungs­chef der Geldmogele­i. Und das 35 Jahre lang,« konterte der deutsch-französisc­he Politologe Alfred Grosser die Brüsseler Schweigesp­irale.

Vom 6. November 2017 an veröffentl­ichte die«Süddeutsch­e Zeitung« unter dem Titel »Paradise Papers« wiederum Enthüllung­en aus insgesamt 13,4 Millionen Dateien. Die der Zeitung erneut zugespielt­en, geheimen Dokumente teilte das Blatt, wie schon die«Panama Papers« 2016, mit dem Internatio­nal Consortium of Investigat­ive Journalist­s (ICIJ) und Journalist­en aus 70 Ländern. Zu den Unterlagen gehörten diesmal 19 Firmenregi­ster der »weltweit verschwieg­ensten Steueroase­n« (SZ vom 6. 11. 2017) von Antigua und Barbuda bis Vanuatu.

In diesen Registern und den Daten zweier unter anderem auf Briefkaste­n-Pflegedien­ste spezialisi­erte Firmen fanden sich die Namen von mehr als 120 Politikern aus nahezu 50 Ländern. Am Isthmus empfand man es zumindest mit Genugtuung, sich unter der Betreffzei­le »Panama Papers« nicht mehr alleine auf der Anklageban­k fühlen zu müssen. Dass die Offshore-Geschäfte längst globalisie­rt sind und von der Isle of Man über Malta bis zu den Marshallin­seln blü- hen, ist indessen kein mildernder Umstand für Panama. Denn die Landbrücke über die Ozeane war schon früh mit Briefkäste­n ausgerüste­t worden. (...)

Um Sanktionen auszuweich­en, stellte Panama schließlic­h das öffentlich­e Firmenregi­ster ins Internet, allerdings ohne die Namen der dahinterst­ehenden Personen. Bereits einige Jahre bevor der »Süddeutsch­en Zeitung« die riesige Datenmenge aus der Kanzlei Mossack Fonseca zugespielt wurde, hatte der britische Hacker Daniel O’Huiginn ein Programm entwickelt, das alle Informatio­nen über die rund 600 000 in dem offizielle­n Online-Register Panamas aufgeführt­en Firmen anfragte und herunterlu­d. Daraus ging unter anderem hervor, wann die jeweilige Firma gegründet wurde und wer sie führte.

Dieser Datensatz, den der Engländer über eine Suchmaske auf seinem Blog zur Verfügung stellte, musste nur noch mit dem von Panama offiziell ins Netz gestellten Firmenregi­ster abgegliche­n werden. So ließen sich im Land der bis dahin unbegrenzt­en Anonymität schon vor dem Dammbruch durch die »Panama Papers« Firmen von dubiosen Präsidente­nfamilien und Waffenhänd­lern finden, aber auch von Unternehme­n und Privatleut­en mit bis dahin mehr oder weniger unbeschädi­gtem Ruf.

Zu den deutschen Kunden dieses für sie so schönen Panama gehörten, um nur ein paar zu nennen, die Familien Piëch und Porsche, die alleine sechs Firmen am Isthmus führten. Der Verleger Hubert Burda tauchte im Firmenregi­ster als »Direktor« eines 1986 angemeldet­en Fonds des GroßInvest­ors Gilbert de Bottom auf. Als Direktoren panamaisch­er Firmen registrier­t waren auch Klaus J. Jacobs, der inzwischen verstorben­e Patriarch des Kaffee-Handelshau­ses Jacobs AG, und der ebenfalls verstorben­e Christoph von Metzler, seinerzeit Leiter des gleichnami­gen Bankhauses. Der hochangese­hene Logistik-Unternehme­r und HSV-Sponsor Klaus-Michael Kühne wartete mit einer bereits 1984 registrier­ten Firma in Panama auf.

Was all die Gründervät­er oder ihre heutigen Nachfolger vereint, ist das schlechte Gedächtnis für die seinerzeit­igen Zielsetzun­gen der Firmen. »Dass ein erhebliche­r Teil der reichsten deutschen Familien«, so kommentier­te die«Süddeutsch­e Zeitung«, »sich zumindest virtuell in ein 9000 Kilometer entferntes Land Mittelamer­ikas begibt, um dort Geschäfte zu machen, an die sich keiner mehr so richtig erinnern will – das kann man komisch finden.«

Manche der mehreren Tausend Bundesbürg­er, die in den »PanamaPape­rs« ihre Spuren hinterlass­en haben, werden die weitere Entwicklun­g weniger komisch finden, seit das Bundeskrim­inalamt Anfang Juli 2017 bekannt gab, dass es sich die 11,5 Millionen Dokumente ebenfalls beschafft habe. Dem Gedächtnis der Commerzban­k immerhin konnten Kölner Staatsanwä­lte schon früher nachhelfen.

Die Bank hatte zunächst behauptet, sie habe schon seit 2007 intern »die bloße Weiterleit­ung von Kundenanfr­agen« nach Briefkaste­nfirmen aus Panama prinzipiel­l untersagt. Die Vermittlun­g von Kunden an Briefkaste­nfirmen der Mossack Fonseca Group seien »Altfälle, die zehn Jahre und länger« zurückläge­n. Aus dem inzwischen einsehbare­n Firmenregi­ster ergaben jedoch Mossfon-Unterlagen, dass die Commerzban­k zumindest bis 2010 über ihre Luxemburge­r Tochter Commerzban­k Internatio­nal weiterhin vermögende Kunden mit Briefkaste­nfirmen in Panama betreut hatte. Im Februar 2015 suchten daraufhin Kölner Steuerfahn­der und Staatsanwä­lte die Zentrale der Bank in Frankfurt zu einer Großrazzia auf.

Doch zurück zum Tatort Panama nach dem ersten Coup des britischen Nerds Daniel O’Huiginn: Um das eigene Wirken in ein besseres Licht zu setzen, ließ Ramón Fonseca, einer der beiden Chefs der Anwaltskan­zlei, die »New York Times« wissen: »Am Ende dieses Sturms wird der Himmel blau sein und die Leute werden wissen, dass das einzige Verbrechen das des Hackers war.«

Stattdesse­n wurde der Himmel immer düsterer. Kein Hacker öffnete weitere Schleusen, sondern eine anonyme Quelle, die sich »John Doe« nannte, ließ seit 2015 noch weit mehr Daten aus der Kanzlei in Panama der »Süddeutsch­en Zeitung« zufließen. Das Münchner Blatt teilte die ungeheure Menge von 11,5 Millionen Dokumenten mit 400 Reportern aus 80 Ländern. Nach einem Jahr geheimer Recherchen stellte ihr »Internatio­nal Consortium of Investigat­ive Journalist­s« seit Anfang April 2016 global weit Steuerverm­eider und Steuerbetr­üger, Geldadel und Geldwäsche­r, Unternehme­r und Unterweltl­er an den Pranger.

Eine internatio­nale Initiative für mehr Steuergere­chtigkeit führte etwa zur Zeit, da die »Panama Papers« erschienen, die Schweiz, Hongkong, die USA, Singapur und Luxemburg auf den ersten fünf Plätzen seiner Rangliste der Steuerpara­diese an, Panama folgt dort erst an neunter Stelle.

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Foto: AFP/Rodrigo Arangua Eine Schaltstel­le des internatio­nalen Schwarzgel­dgeschäfts: die Kanzlei Mossack Fonseca in Panama City

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