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»So wird das auch im Schach sein«

Russlands Präsident Wladimir Putin hofft auf mehr Einfluss durch einen Landsmann als Weltverban­dspräsiden­ten

- Von Christian Thiele, Batumi

Schach war für Russland lange eine der beliebtest­en Sportarten. Wichtig ist sie für den Kreml noch immer. Das zeigt sich bei einer brisanten Personalie, die im Weltverban­d am Mittwoch ansteht. Wer macht künftig an der Weltspitze des Schachs den ersten Zug? Russland will, dass ein Landsmann Präsident des Weltverban­des FIDE wird. Der Kreml in Moskau schickt am 3. Oktober deshalb ein politische­s Schwergewi­cht zur Wahl am Rande der Schacholym­piade in Georgien: Arkadi Dworkowits­ch. Der 46-Jährige war Vizeregier­ungschef und Cheforgani­sator der Fußball-Weltmeiste­rschaft im Sommer in Russland. Er soll dafür sorgen, dass der russische Präsident Wladimir Putin im Sport an Einfluss gewinnt.

Als nach der WM Mitte Juli die letzten Fußballer abgereist waren, zog Dworkowits­ch Bilanz. Das positive Echo auf das Fußballspe­ktakel kann er durchaus als seinen Erfolg verbuchen. Putin, der den Ausführung­en folgte, lächelte und sagte: »So wird das auch im Schach sein, wenn Sie zum Präsidente­n des Weltverban­des gewählt werden.« Dworkowits­ch will den Posten des Mitte Juli suspendier­ten Kirsan Iljumschin­ow übernehmen. Der umstritten­e Verbandsch­ef fiel in seiner Amtszeit etwa mit Äußerungen über die Existenz von Aliens auf. 2015 verhängten die USA Sanktionen gegen den früheren Präsidente­n der südrussisc­hen Republik Kalmückien, weil er geschäftli­che Kontakte mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad gepflegt haben soll.

»Es wird kein leichter Kampf«, vermutet Dworkowits­ch, der die Kniffe beim Schach und in der Politik dahinter kennt. Seit Jahren ist der Politiker und Ökonom im russischen Schachverb­and vertreten. Sein Vater Wladimir Dworkowits­ch war ein internatio­nal bekannter Schachschi­edsrichter. Vor dem Chefposten bei der Fußball-WM war Arkadi Dworkowits­ch der stellvertr­etende russische Ministerpr­äsident, davor einer von Putins Beratern.

Ob ihm diese Nähe zum Kreml bei der Wahl an die Spitze des Weltschach­verbandes im georgische­n Batumi nutzt, ist offen. Gegen Dworkowits­ch tritt Georgios Makropoulo­s an. Der Grieche ist seit 1982 elf Mal zum Präsidente­n des Schachverb­andes seines Landes gewählt worden. »Verschiede­ne wichtige Funktionär­e nationaler Verbände« hätten den 64Jährigen ermutigt, zu kandidiere­n, »weil er besser die Stabilität innerhalb der FIDE gewährleis­ten könn-

Klaus Deventer zur Wahl des FIDE-Präsidente­n

te«, schrieb die griechisch­e Fachpresse. Die Kandidatur des britischen Großmeiste­rs Nigel Short gilt dagegen als wenig aussichtsr­eich.

»Die Wahl ist vollkommen offen«, meint der Vizepräsid­ent des Deutschen Schachbund­es, Klaus Deventer. »Man muss aber befürchten, dass wieder Geld fließt – das ist ein offenes Geheimnis.« Deutschlan­d unterstütz­e Makropoulo­s, sagt Deventer. »Er führt ja seit über einem Jahr die Geschäfte, und wir erhoffen uns von ihm Kontinuitä­t. Es wird aber sicher keine neue Ära und auch kein Aufbruchss­ignal, weil die Administra­tion erhalten bleibt.«

Weshalb ist Sport für Russland so interessan­t? »Sport hat internatio­nal viel Aufmerksam­keit, und die russische Führung möchte in allen Bereichen mitspielen und Anerkennun­g generieren«, erläutert der RusslandEx­perte Stefan Meister von der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik. Putin setze sich deshalb immer wieder persönlich für die Rolle Russlands in Sportinsti­tutionen ein, sagte Meister. Die Strukturen in den internatio­nalen Verbänden entspräche­n oft denen in Russland. »Man kann sie leicht beeinfluss­en durch persönlich­e Kontakte und Geld.«

Arkadi Dworkowits­ch sieht das anders. »Natürlich kennen mich alle Leute, aber ich bekomme keine Anweisunge­n vom Kreml oder von der Regierung, weil ich nicht mehr dazu gehöre«, sagte er kürzlich dem Branchenpo­rtal ChessBase. Wladimir Putin und Ministerpr­äsident Dmitri Medwedjew seien von der Kandidatur überrascht gewesen, erzählt er. Aber sie hätten ihren Segen dazu gegeben.

»Man muss aber befürchten, dass wieder Geld fließt – das ist ein offenes Geheimnis.«

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