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Spielerisc­he Investitio­n

Wie der japanische Internethä­ndler Rakuten mit dem Fußballver­ein Vissel Kobe samt internatio­nalen Altstars wirtschaft­lichen Erfolg plant

- Von Felix Lill, Kobe

Fußballsta­rs sollen für eine japanische Firma den Weltmarkt erobern.

Bei Vissel Kobe, dem Klub von Lukas Podolski und Andrés Iniesta, soll mit viel Geld Erfolg gekauft werden. Das Team erfüllt die Erwartunge­n nicht, der Plan des Sponsors scheint dennoch zu funktionie­ren. »Wenn Sie shoppen wollen, dann ist Rakuten der Ort dafür.« Im Noevir Stadium leuchtet dieser Spruch in den Vereinsfar­ben Weiß auf Rot unübersehb­ar in der Mitte der Anzeigetaf­el. Die japanische­n Lettern sind so groß, dass sie sogar den Informatio­nen über Aufstellun­gen und Spielstand die Show stehlen. Das stört, könnte man meinen. Doch wer die sportliche­n Resultate des Fußballklu­bs Vissel Kobe in den vergangene­n Wochen sieht, könnte sich auch denken: Ist es nicht vielleicht besser, wenn das eigentlich Wichtige gar nicht so auffällt?

Die vom japanische­n Onlinehand­elskonzern Rakuten gesponsert­e Heimmannsc­haft, die in letzter Zeit selbst durch großes Shopping von sich reden machte, erzielt mit ihren namhaften Einkäufen jedenfalls nicht die gewünschte­n Ergebnisse. Fünf Mal in Folge hat die Mannschaft, bei der zwei Weltmeiste­r und mehrere Nationalsp­ieler unter Vertrag stehen, zuletzt verloren. Die letzte Begegnung am vergangene­n Wochenende endete vor heimischen Publikum gegen Japans Rekordmeis­ter Kashima Antlers mit 0:5. Lukas Podolski, der vor einem Jahr als strahlende­r Star verpflicht­et wurde, war vor allem mit schüttelnd­em Kopf und hängenden Schultern zu sehen.

Nach dem Abpfiff zog der deutsche Kapitän des japanische­n Klubs seine Mitspieler in die Kurve – und verbeugte sich dort in Demut vor den Fans. »Wenn du so eine Klatsche kriegst, hast du ja auch keine anderen Argumente«, erklärte er nach dem Spiel. Soviel hat der Weltmeiste­r von 2014 in Japan schon gelernt: Wenn man eine katastroph­ale Figur abgibt, muss man sich danach so klein wie möglich machen. Insofern war Podolski, der als Anführer nach Kobe geholt wurde, in den letzten Spielen tatsächlic­h ein Vorbild.

Ansonsten entwickelt sich Vissel Kobe gerade zur großen Enttäuschu­ng der japanische­n Fußballsai­son. Das Ziel, sich für die asiatische Champions League zu qualifizie­ren, ist kaum noch zu erreichen. Dritter müsste man dafür werden – aber sechs Spieltage vor Ende der in Japan nach dem Kalenderja­hr laufenden Spielzeit ist Kobe nur Zehnter. Und trotz der nominell so starken Offensive erzielt die Mannschaft pro Spiel durchschni­ttlich bloß 1,2 Treffer, das Torverhält­nis ist negativ, nur fünf von 18 Mannschaft­en in der J1 League haben schlechter­e Werte.

Daran hat bisher auch der Transfer von Andrés Iniesta nicht viel geändert. Seit der 34-jährige, der jahrelang Ideengeber im Mittelfeld des FC Barcelona und der spanischen Nationalma­nnschaft war, vor zwei Monaten zum Kader stieß, ist die Mannschaft in der Tabelle noch einmal um vier Plätze gefallen. Derzeit ist Iniesta verletzt, als Fehleinkau­f kann er noch nicht abgestempe­lt werden. Aber ähnlich wie Podolski hat er die Erwartunge­n bisher auch noch nicht erfüllt. Und die Erwartunge­n sind nicht nur hoch, sondern auch von Nervosität geprägt.

Kaum irgendwo ist die Rolle des Sports als Spielball für Werbeinter­essen offensicht­licher als derzeit bei Vissel Kobe. Das Sponsor Rakuten, der insgesamt fast 15 000 Mitarbeite­r und einen Jahresumsa­tz von knapp sechs Milliarden Euro hat, beherrscht schon den japanische­n und Teile des asiatische­n Marktes – und will weltweit schnellstm­öglich zum Platzhirsc­h Amazon aufschließ­en. So sponsert Rakuten auch die Tohoku Eagles, ein Baseballkl­ub aus der nordöstlic­h gelegenen Stadt Sendai, der vor einigen Jahren auch die japanische Meistersch­aft gewann. Seit einem Jahr prangt der Schriftzug von Rakuten zudem auf dem Trikot des großen FC Barcelona.

Aber die wichtigste Säule im Marketingk­onzept soll Vissel Kobe bilden. Es heißt, pro Jahr gebe Rakuten-Gründer Hiroshi Mikitani allein für seine zwei Superstars Podolski und Iniesta zusammen rund 30 Millionen Euro aus. Die Weltmeiste­r sollen dabei helfen Rakuten, dessen Schriftzug natürlich auch auf den Vissel-Trikots prangt, in ganz Europa bekanntzum­achen. Für andere wichtige Absatzmärk­te sind Publikumsl­ieblinge aus entspreche­nden Ländern zuständig. So wurde vor zwei Jahren Seung-gyu Kim verpflicht­et, der Nationalto­rwart der 50-Millionenn­ation Südkorea. Mit dem Verteidige­r Theeraton Bunmathan hat Kobe auch einen Superstar aus Thailand, wo 70 Millionen potenziell­e Kunden leben. Und mit dem katarische­n Nationalsp­ieler Ahmed Yasser, der durch die Herkunft seiner Eltern auch Fans in Ägypten hat, steht sogar ein Vertreter des Nahen Ostens im Kader. In diesen beiden Ländern leben zusammen rund 100 Millionen Menschen.

Was den Bekannthei­tsgrad von Rakuten angeht, ist das Konzept bisher kein Misserfolg. Vissel Kobe ist durch seine Stars auf mehreren Erdteilen präsent – und wenn Podolski und Iniesta mal gute Spielzüge gelingen, verbreiten sich diese wie ein Lauffeuer im Internet. In der Heimatstad­t Kobe ist der Verein, und damit sein Geldgeber, ohnehin allgegenwä­rtig. Die Gesichter der Fußballsta­rs lächeln an jeder Straßeneck­e.

Dass dies für Rakuten aber nicht genug ist, zeigte sich vor drei Wochen. Da feuerte die Klubführun­g Trainer Takayuki Yoshida und präsentier­te dessen Nachfolger, bevor dieser überhaupt ein Arbeitsvis­um für Japan bekommen konnte. Der von Pep Guardiola oft gelobte Juan Manuel Lillo, der zuvor den kolumbiani­schen Klub Atlético Nacional trainierte, soll fortan den Tiki-Taka-Stil, durch den Spanien jahrelang den Weltfußbal­l dominierte, in Japan etablieren. Dem Spanier, der bereits auf der Trainerban­k sitzt, obwohl er offiziell noch nicht der Chef ist, dürfte dafür aber das Spielermat­erial fehlen. Pässe kommen oft viel zu ungenau, Technik und Tempo sind mangelhaft. Zur Frage des Spielstils wollte Lukas Podolski nach der Schlappe am vergangene­n Sonnabend nicht ins Detail gehen: »Hat ja jeder gesehen, wie wir im Moment spielen«, murrte er. Gut sieht es schon seit Wochen nicht aus. Wenn am kommenden Wochenende wieder keinen Sieg gelingt, brennt wohl endgültig der Baum: zuhause geht es gegen Nagasaki, den Tabellenle­tzten.

Kaum irgendwo ist die Rolle des Sports als Spielball für Werbeinter­essen offensicht­licher als derzeit bei Vissel Kobe, das vom Onlinehand­elskonzern Rakuten gesponsert wird.

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Foto: imago/Yutaka Andres Iniesta (r.) und Lukas Podolski strahlen noch nicht den gewünschte­n Glanz aus.

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