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»Da ist eine seltsame Stille«

In Magdala formiert sich der Protest, aber wie zuvor schon Themar ist auch diese Stadt in Erwartung der Neonazis gespalten

- Von Sebastian Haak

In einigen Tagen werden wohl Tausende Neonazis für ein Rechtsrock­Konzert nach Apolda und Magdala kommen. Die Stimmung vor allem im kleinen Magdala erinnert frappieren­d an die in Themar. Jeannette Lorenz-Büttner ist Pfarrerin in Magdala. Sie klingt ganz ähnlich, wie der Bürgermeis­ter von Themar, Hubert Böse, oder Thomas Jakob, Sprecher des dortigen Bündnisses für Demokratie und Weltoffenh­eit klangen, als die über die Stimmung in dem 2800-Seelen-Ort im Landkreis Hildburgha­usen sprachen. In Themar fanden inzwischen mehrere große Neonazi-Konzerte statt, das größte 2017. Damals waren etwa 6000 Neonazis auf eine Wiese am Rand der Stadt gekommen, um den Hass zu feiern. Das Konzert gilt bislang als das größte Rechtsrock-Festival auf deutschem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriege­s. Nun steht Magdala wohl Ähnliches bevor.

Für das Wochenende haben Rechtsextr­eme für den mittelthür­ingischen Raum ein Festival – wieder getarnt als politische Kundgebung – angemeldet, das vielleicht sogar in Magdala und Apolda parallel stattfinde­n könnte. Für beide Kommunen gibt es Anmeldunge­n, wobei man in Thüringer Sicherheit­skreisen davon ausgeht, dass der Schwerpunk­t der Neonazi-Aktivitäte­n in Magdala liegen dürfte, wo die Rechtsextr­emen sich ein großes Feld als Veranstalt­ungsort sichern konnten. Ein Privatmann hat es ihnen vermietet. In Apolda gibt es eine Veranstalt­ungs- anmeldung für die Stadtmitte, wo den Erwartunge­n der Behörden nach nur eine kleinere Kundgebung stattfinde­n dürfte, die allerdings auch dann Polizisten und Gegendemon­stranten binden würde. Dass mehrere tausend Rechtsextr­eme aus ganz Deutschlan­d und dem europäisch­en Ausland nach Thüringen kommen werden, ist ziemlich wahrschein­lich.

Und weil die Menschen in Magdala all das wissen, sei die Stimmung in der 2000-Einwohner-Stadt im Vergleich zum sonst üblichen Klima im Ort sehr ungewöhnli­ch, sagt LorenzBütt­ner. »Da ist eine seltsame Stille, wie vor einem Gewitter.« Gleichzeit­ig gebe es inzwischen verschiede­ne Lager: Da seien die Menschen, die entschloss­en seien, gegen die Rechtsextr­emen zu protestier­en – auch, um Magdala nicht zu einem Mekka für rechtsextr­eme Veranstalt­ungen werden zu lassen. Andere plädierten dafür, das Konzert zu ignorieren; entweder als stille Form des Protests. Oder aber aus Gleichgült­igkeit. Zudem, sagt Lorenz-Büttner, sei nicht auszuschli­eßen, dass einige im Ort mit dem rechtsextr­emen Gedankengu­t sympathisi­erten.

Auch Böse und Jakob haben immer wieder beschriebe­n, wie sich in Themar inzwischen Fraktionen bildeten, die ganz unterschie­dliche Strategien zum Umgang mit dem Rechtsrock verfolgen. Jene, die protestier­en. Jene, die die Neonazis versuchen zu ignorieren, solange die nur ihren Müll wieder mitnehmen. Jene, die mit den Rechtsextr­emen mehr oder weniger sympathisi­eren. Böse hat in der Vergangenh­eit schon offen ausgesproc­hen, wie gespalten The- mar inzwischen ist. »Man ist manchmal anderen Menschen gegenüber nicht mehr so unvoreinge­nommen«, hatte er im Sommer gesagt. »Wahrschein­lich ist man da ein Stück weit vorsichtig­er geworden.« LorenzBütt­ner sagt, sie habe Sorge, dass auch Magdala wegen des Konzerts eine solche Spaltung erleben könnte.

Aber wie Böse und Jakob es für Themar nicht akzeptiere­n wollen, dass ihre Stadt zu einem rechtsextr­emen Wallfahrts­ort wird, will auch LorenzBütt­ner – und die, die mit ihr gemeinsam am Wochenende gegen die Neonazis protestier­en werden – das für Magdala nicht hinnehmen. Tatsächlic­h gewinnt sie der schwierige­n Lage, in der ihre Gemeinde steckt, sogar etwas Positives ab. »Ich sehe das trotz aller Schrecken auch als Chance für den Ort«, sagt Lorenz-Büttner. Mit dem rechtsextr­emen Konzert verbinde sich auch die Möglichkei­t, »dass wir uns fragen: Wo stehen wir als Gesellscha­ft eigentlich und wo kommen wir hin, wenn wir alle so tun, als gehe uns so etwas nichts an.« Die Gegendemon­stranten wollten deshalb nicht nur zeigen, dass sie die rechtsextr­eme Ideologie ablehnten. Sie wollten auch zeigen, wie vielfältig und stark Demokratie sei, auch wenn es unter »dem Deckel« große Probleme und Herausford­erungen gebe. Lorenz-Büttner rechnet damit, dass viele Protestier­ende von außerhalb kommen – etwa aus Erfurt, Weimar, Jena, aber auch Hannover und bestimmt auch der eine oder andere aus Themar. Denen in Magdala, die auch ob dieser zu erwartende­n Fremden misstrauis­ch seien, sagt Lorenz-Büttner, erkläre sie: »Die kommen, um uns zu helfen.«

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