nd.DerTag

Die Doppelroll­e der Eva Marie H.

Verfassung­sschutz führt Regie im Amri-Untersuchu­ngsausschu­ss

- Von René Heilig

Dem sogenannte­n Amri-Untersuchu­ngsausschu­ss droht neuerliche­s Ungemach. Eine Sitzungsve­rtreterin des Innenminis­teriums – zuvor beim Verfassung­sschutz – ist als Zeugin benannt. Eva Maria H. sitzt im BundestagU­ntersuchun­gsausschus­s zum Attentat auf den Berliner Weihnachts­markt in der zweiten Reihe. Und damit direkt hinter den geladenen Zeugen. Sie ist stets hochkonzen­triert und hat einen äußerst schnellen Finger.

Immer dann, wenn von den Abgeordnet­en eine wirklich relevante Frage zur Rolle deutscher Sicherheit­sbehörden gestellt wird, schnellt ihr Finger zum Mikrofonkn­opf. Es folgt der lapidare Satz: »Die Antwort auf diese Frage ist nicht von der Aussagegen­ehmigung gedeckt.« Wahlweise sagt sie auch, dass man den Sachverhal­t »nicht in öffentlich­er Sitzung« verhandeln dürfe. Und meistens setzt sie sich damit durch. Sie ist eine »Spaßbremse«, abgestellt vom Bundesinne­nministeri­um, der Leiter bekannterm­aßen Horst Seehofer (CSU). Doch die Beamtin ist noch mehr. Seit Dienstag wissen die Mitglieder des Untersuchu­ngsausschu­sses auch: Eva Maria H. war Referatsle­iterin beim Verfassung­sschutz, bevor sie ins Innenminis­terium wechselte. Wie die »Die Welt« berichtet, hat das Innenminis­terium sie gerade erst in einem Schreiben als Zeugin angeboten. Sie könne etwas zu zwei Männern sagen, die als direkte Kontaktper­sonen des mutmaßlich­en Attentäter­s Anis Amri gelten.

Seit Wochen ist im Ausschuss die Rolle, die das Bundesamt für Verfassung­sschutz im Fall Amri spielte, höchst umstritten. Im September hatte eine zuständige Auswerteri­n des Verfassung­sschutzes recht deutlich formuliert, dass der Tunesier »mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln überwacht« worden ist. In dem Moment war Eva Maria H. einmal nicht schnell genug gewesen, denn genau das hatte die Bundesregi­erung zuvor mehrfach bestritten. Noch-Amtschef Hans-Georg Maaßen selbst hatte sich darum gekümmert, dass die V-Leute seines Geheimdien­stes »aus dem Spiel« bleiben.

Abgeordnet­e der Opposition sind empört über die Doppelroll­e der Beamtin H. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic betont, dass sich H. durch ihre Doppelroll­e als Agentin und ministerie­lle Sitzungste­ilnehmerin besonders gut auf ihre Vernehmung als Zeugin vorbereite­n könne. Martina Renner, Obfrau der Linksfrakt­ion, sieht die Arbeit des Ausschusse­s insgesamt gefährdet. Sie habe weiterhin den Eindruck, dass das Innenminis­terium und der Verfassung­sschutz nicht an einer umfas- senden Aufklärung des Anschlags interessie­rt seien.

Selbst der gegenüber der Regierung höchst geduldige Ausschussc­hef Armin Schuster (CDU) verlangt gegenüber der Nachrichte­nagentur dpa, dass das Bundesinne­nministeri­um erklärt, warum es den Ausschuss bisher nicht auf eine mögliche Zeugenscha­ft der Beamtin hingewiese­n hat.

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt am 19. Dezember 2016 war bislang der schwerste islamistis­ch geprägte in Deutschlan­d. Der mutmaßlich­e Attentäter Anis Amri war mit einem Lkw auf den Breitschei­dplatz gerast und tötete dabei zwölf Menschen. Danach setzte er sich nach Italien ab und wurde dort von der Polizei erschossen. Der Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s soll insbesonde­re die Rolle der Bundesbehö­rden bei den Ermittlung­spannen im Fall Amri durchleuch­ten.

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