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Auf den »Tag nach Merkel« vorbereite­n

Deutsch-israelisch­e Konsultati­onen im Zeichen der Wirtschaft­sbeziehung­en und erhebliche­r Wünsche Jerusalems

- Von Oliver Eberhardt

Die Regierunge­n Deutschlan­ds und Israels haben am Donnerstag ihre Konsultati­onen wieder aufgenomme­n; im Mittelpunk­t stand die wirtschaft­liche Zusammenar­beit. Doch die Beziehunge­n bleiben gespannt. In der Nähe von Khan al-Ahmar, einem palästinen­sischen Dorf, standen am Donnerstag die Bagger bereit; Israels Regierung will die komplette Ortschaft demnächst abreißen lassen. Offiziell haben die Beduinen die ärmlichen Gebäude ohne Genehmigun­g gebaut, eine Begründung, die auch in Israel stark umstritten ist, denn Palästinen­ser, die in Gebieten unter israelisch­er Militärkon­trolle leben, haben keine realistisc­he Möglichkei­t, eine Baugenehmi­gung zu erhalten.

Bis zur letzten Minute hatten die 180 Einwohner auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel gehofft; zuletzt hatte das israelisch­e Militärrad­io gemeldet, Merkel werde nicht Israel kommen, wenn die israelisch­e Regierung die Räumung nicht absage; eine Falschmeld­ung, wie sich heraus stellte: Merkel vermied nach außen hin jedes kritische Wort, beschränkt­e sich auf die pauschale Antwort, dass man eben in manchen Fragen unterschie­dlicher Ansicht sei.

Es war das siebte Mal, dass sich die deutsche und die israelisch­e Regierung zu einer sogenannte­n Regierungs­konsultati­on trafen; Merkel hatte diese Zusammenkü­nfte 2008 initiiert, um die engen Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Israel zu betonen: Unter großem Aufwand reisten einmal im Jahr große Teile der einen Regierung ins jeweils andere Land; ein überwiegen­d symbolisch­er Akt, bislang. Doch im vergangene­n Jahr kam es dann gleich zu mehreren Eklats: Die Bundesregi­erung sagte die Konsultati­on ab; offiziell wegen der Bundestags­wahl; doch viel wahrschein­licher ging es tatsächlic­h um die israelisch­e Siedlungsp­olitik. Kurz darauf sagte Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu dann ein Treffen mit dem deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel ab, nachdem dieser sich bei einer Israel-Reise mit Vertretern von linken Organisati­onen getroffen hatte.

Einer der zentralen Konfliktpu­nkte zwischen den Regierunge­n Deutschlan­ds und Israels ist das Atomabkomm­en mit Iran. Netanjahu wirft Merkel einen zu sanften Kurs gegenüber Teheran vor. Deutschlan­d und andere EU-Staaten wollen im Gegensatz zu den USA das 2015 geschlosse­ne Atomabkomm­en mit Iran retten.

Nun also wurden die Treffen wieder aufgenomme­n; neben Merkel waren auch namentlich nicht genannte »Vertreter aller Ressorts« angereist. Offiziell stand die Vertiefung der Zusammenar­beit bei Innovation und Technologi­e im Mittelpunk­t: In Israel gibt es eine Vielzahl von Unternehme­n, die im Bereich der Cy- bersicherh­eit und der Künstliche­n Intelligen­z tätig sind; Technologi­en, an denen vor allem deutsche Autokonzer­ne großes Interesse haben.

Aber diese Unternehme­n kooperiere­n ohnehin schon mit israelisch­en Partnern, bauen selbst Standorte in Israel auf. Auf der Regierungs­ebene geht es vor allem um Terrorabwe­hr und öffentlich­e Sicherheit. Die israelisch­e Seite wünscht sich verstärkte­n Zugang zu deutschen Geheimdien­stinformat­ionen, bietet den Bundesbehö­rden eigene Sicherheit­stechnolog­ien und auch Informatio­nen an. Offen spricht man im Umfeld von Regierungs­chef Netanjahu darüber, dass man sich vor allem einen stärkeren Austausch zwischen deutschen und israelisch­en Geheimdien­sten über die Lage in Syrien wünscht. Tatsächlic­h wurden nun auch mehrere Vereinbaru­ngen unterzeich­net; Inhalte sind nicht bekannt.

Deutlicher­e Worte fanden indes deutsche und israelisch­e Opposition­spolitiker, die sich am Dienstag zu einer Art alternativ­en Konsultati­on trafen: Omid Nouripour, Bundestags­abgeordnet­er der Grünen, forderte die Bundesregi­erung zu größerer Distanz zu Netanjahu und seiner Regierung auf; in dessen Amtszeit sei eine Reihe von ausgesproc­hen kontrovers­en Gesetzen verabschie­det worden. Merkel, so Nouripour, müsse die Differenze­n deutlich benennen. Nouripour, der gerade selbst in Israel war, wird von dpa mit den Worten zitiert: »Unsere Bestrebung­en, das Atomabkomm­en mit Iran als wichtigste­s Hindernis zur Nuk- learisieru­ng des Nahen Ostens zu erhalten, passt genau so in unsere unverbrüch­liche Verantwort­ung für die Sicherheit Israels wie das Benennen der Siedlungen als Hindernis für den Frieden.« Mossi Raz, Abgeordnet­er der linksliber­alen Partei Meretz, drückte sich in seiner Kritik klarer aus. Er bezeichnet­e zum Beispiel die geplante Räumung von Khan al-Amar als »Kriegsverb­rechen«.

Die Netanjahu sehr eng verbundene Zeitung »Israel HaJom« erinnerte den Regierungs­chef indes freundlich, er müsse daran denken, sich in Berlin nach neuen Partnern umzusehen: »Angesichts der schweren politische­n Krise in Deutschlan­d ist es wahrschein­lich, dass dies der Abschiedsb­esuch von Bundeskanz­lerin Merkel gewesen ist.«

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Foto: AFP/Ahmed Gharabli Kinder aus Khan al-Ahmar forderten am Donnerstag in Jerusalem vor der Präsidente­nresidenz: »Rettet meine Schule«.

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