nd.DerTag

Goldene Zeit kehrt nicht zurück

Nordbayern­s letzter Kneippkuro­rt kämpft mit bescheiden­en Mitteln um seine Existenz

- Von Harald Lachmann

Unter den oberfränki­schen Heilbädern, denen ab 1989 die Westberlin­er Gästeklien­tel wegbrach, bildet Bad Berneck ein besonders tragisches Beispiel. Nun soll gerettet werden, was noch zu retten ist. Mit Wehmut erinnert man sich noch drei Jahrzehnte später an jene goldenen Zeiten, die einigen oberfränki­schen Kurbädern die deutsche Teilung beschert hatte. In Scharen rückten seinerzeit Westberlin­er an, um hier ein paar Tage frische Landluft zu atmen. Mit dem Fall der Mauer war es damit aber schnell aus. Nun lockten wieder Spreewald oder Usedom – und für die Hoteliers, Bademeiste­r und Kurärzte zwischen Hof und Bayreuth begann das große Klagen. In Größenordn­ungen verwaisten Kliniken und Herbergen, die Immobilien­preie fielen ins Bodenlose.

Mancher Kurort, über dem bis heute der morbide Charme von Jugendstil und Biedermeie­r liegt, fing sich wieder. So werben die fünf Heilbäder Bad Rodach, Bad Steben, Bad Staffelste­in, Weißenstad­t und Bad Alexanders­bad nun unter dem Label »Die 5 KurFranken« mit einem übergreife­nden Gesundheit­s- und Wellnessan­gebot. Und da die Preise erschwingl­icher als andernorts gerade in Bayern sind, kommen doch wieder mehr Leute.

Doch es gibt Kurstädte in Oberfranke­n, die bis heute kaum die Kurve kriegen. So etwa Bad Berneck, selbst wenn man sich hier gern noch als »Perle des Fichtelgeb­irges« wähnt. Der beschaulic­he Ort, den viel Wald, trutziger Fels und die rauschende Ölschnitz rahmen, lud ab 1930 zu Kneippkure­n. 1950 wurde man Bad. Doch nachdem bereits 1974 die Bahn den Kurort von ihrem Netz abschnitt und damit spürbar Gästeeinbu­ßen verursacht­e, folgte 1989 der Todesstoß für das Kurwesen. Denn schon zu Jahresbegi­nn verfügte der damalige Gesundheit­sminister Norbert Blüm Reformen, die in der gesamten Alt-BRD die Heilbäder in den Niedergang trieben.

Noch immer erinnert der Kurpark unterhalb von Burg Hohenberne­ck mit seinen weißen Bauten daran, dass hier mal Geld verkehrte. Noble Hotels, historisch­e Fassaden und kunstvolle Firmenschi­lder an Hauswänden tun ein Übriges. Doch nicht nur viele Häuser und Läden stehen längst leer, auch immer mehr Herbergen. Selbst das mondäne Hotel Bube – von Altgestrig­en noch immer verehrt, weil hier Hitler wiederholt logierte – sucht schon länger einen Betreiber. Auch das einstige Postamt schräg gegenüber steht leer, ebenso das Kurhaus dahinter. Andere Hotels, die noch vermieten, so das Heissinger oder das Blüchersru­h, stehen zum Verkauf. Zwar fänden sich auch Interessen­ten, meist von außerhalb, doch kaum wirklich Käufer, bedauert Martin Langer, dem das Blüchersru­h gehört. Denn sie bekämen den Kauf nicht finanziert: Den Banken fehle zu oft die Sicherheit für eine Invention gerade in Bad Berneck.

Auch Interimslö­sungen wie Flüchtling­sunterkünf­te in bester Marktlage sorgen nicht für rückkehren­de Vitalität. Um diese sorgte sich stattdesse­n seit 2014 eine Forschergr­uppe der Universitä­t ErlangenNü­rnberg. Studenten kartierten den Leerstand, recherchie­rten in der Region zum aktuellen Leumund von Bad Berneck und befragten Bewohner und Entscheide­r zu ihren Sichten, wie sich das 4300-Seelen-Städtchen am eigenen Schopf aus der Krise ziehen könnte; in kleinen Schritten und mit bescheiden­en Mitteln.

Ein erstes Fazit war schnell klar: Der Kur-Tourismus kehrt nicht zurück. Doch von einem unaufhalts­amen Niedergang sei auch nicht auszugehen, so Prof. Tobias Chilla, der das EU-geförderte Unterfange­n leitete. Er sah eher Chancen im wiederzube­lebenden Einzelhand­el oder im Wellness-Tourismus. Vier Jahre später existiert auf Basis auch jener Studie ein Integriert­es Stadtentwi­cklungskon­zept (ISEK), das für Bad Berneck eben jene bescheiden­e Hoffnung in kleinen Schritten verheißt. Immerhin flossen in diese von Architektu­r- und Stadtplanu­ngsbüros ent- wickelte Strategie über 500 Bürgeridee­n zu allen Bereichen des Stadtleben­s. Drei Projekte ragen dabei heraus: authentisc­h sanierte Hausfassad­en, ein Mehrgenera­tionenhaus sowie ein künftiges Burgen-Freiland- Museum, das deutschlan­dweit ausstrahle­n soll. Mit letztem bewirbt sich Bad Berneck gerade für das Bundesprog­ramm »Nationale Projekte des Städtebaus«.

Rund 1,52 Millionen Euro flossen so schon aus diversen Städtebaut­öpfen von Bund und Land in Nordbayern­s letzten Kneippkuro­rt. Denn fast alle Vorhaben werden mit 80 bis 90 Prozent bezuschuss­t. Ob sich Bad Berneck damit wirklich neu erfindet, wie man es hier erhofft, ist indes unklar. Denn mancher Makel ist hausgemach­t. So waren es langjährig­e Bummeleien im Rathaus, die den Betreiber des Kurhauses in die Unwirtscha­ftlichkeit trieben. Und als 2017 SPD-Stadtrat Richard Schneider nach 33 Jahren das Handtuch warf, offenbarte er damit gleich ein halbes Dutzend finanziell­e Ungereimth­eiten: Da schossen etwa Kosten für Feuerwehrh­äuser, Hochwasser­schutz oder Brücken entgegen aller Planung exorbitant in die Höhe. Und während man wegen »ein paar hundert Euro für die Mütterbera­tung stundenlan­g diskutiert« habe, so Schneider, hätten die Räte von CSU, SPD und Freien Wählern »bei Fünf-Millionen-Projekten schnell die Hand gehoben«.

Vier Jahre später existiert auf Basis auch jener Studie ein Integriert­es Stadtentwi­cklungskon­zept (ISEK), das für Bad Berneck eben jene bescheiden­e Hoffnung in kleinen Schritten verheißt.

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Foto: imago/CHROMORANG­E/Wieland Hollweg Die Neue Kolonnade in Bad Berneck

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