nd.DerTag

Krieger der AfD

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Michael Spreng ist wahrlich niemand, der als liberaler Geist bekannt ist. Wesentlich­e Teile seiner berufliche­n Karriere verbrachte der Journalist im Springer-Verlag, war dort unter anderem elf Jahre lang Chefredakt­eur der »Bild am Sonntag«, ehe er das Boulevardb­latt und den Konzern 2000 im Streit verließ. Danach leitete er unter anderem den Kanzlerwah­lkampf des nicht minder konservati­ven CSU-Politikers Edmund Stoiber.

Michael Spreng weiß nicht nur, wie Politiker am rechten Rand des Parteiensp­ektrums ticken, er hat auch selbst miterlebt, wie sich »Bild« wiederholt auf eine gefährlich­e Liaison mit diesen einließ. Sie kommen inzwischen aus den Reihen der AfD, und die positionie­rt sich noch weiter rechts, als sich das Stoiber je traute. Genau das bereitet Spreng Sorgen. Auf seinem Blog www.sprengsatz.de warnt er, »Bild« habe sich zu einer Vorfeldorg­anisation der AfD entwickelt. »Seit Monaten bespielt ›Bild‹ die politische Agenda der AfD. Fast jede Gewalttat eines Flüchtling­s gegen einen Deutschen wird in ›Bild‹ zur schreiende­n Schlagzeil­e. Wenn aber ein Deutscher einen Syrer ersticht, wird dies mit ein paar Zeilen auf Seite 5 abgetan«, beobachtet der Journalist. Und falls es keine Gewalttat zu vermelden gibt, konstruier­e das Blatt »Aufmacher gegen die angeblich zu lasche Justiz, gegen den angeblich untätigen Staat und die angeblich unfähigen Politiker«. Ein Vorgehen, das Spreng an die »Bild«-Kampagne gegen die Studentenu­nruhen der 60er Jahre erinnert. Maßgeblich verantwort­lich für diesen Rückfall in alte Zeiten sei »Bild«-Chef Julian Reichelt, der offenbar mit dem Einverstän­dnis des Vorstandes von Axel Springer eine Gruppe selbst ernannter Krieger um sich schare, »die glauben, sie lägen im Schützengr­aben und müssten nicht nur die Kanzlerin, sondern auch den liberalen Rechtsstaa­t sturmreif schießen«, so Spreng.

Dass diese Einschätzu­ng einer »Bild« als Sturmgesch­ütz der AfD nicht ganz falsch ist, zeigt eine Rede des Springer-Vorstandch­efs Mathias Döpfner von Ende September beim Kongress des Bundesverb­andes Deutscher Zeitungsve­rleger. Darin beklagt er unter anderem, dass am Tag nach dem Tod von Daniel H. in Chemnitz null von zwölf überregion­alen Medien darüber auf der Titelseite berichtet hätten. Auch nach dem Tod eines Mannes in Köthen sei dies ähnlich gewesen. Döpfner fragt rhetorisch: »Waren die Aufwallung­en in den Städten – von links wie von rechts – wirklich nicht nur so wichtig wie, sondern noch wichtiger als die Todesfälle an sich?« Der Springer-Chef kritisiert, dass die Zeitungen mit dieser Gewichtung angeblich der »Verpflicht­ung zur Wahrheit« nicht gerecht geworden seien.

Auf meedia.de entgegnet Journalist­ikprofesso­r Klaus Meier, die Behauptung, es würde zu wenig über Straftaten von Asylsuchen­den und Ausländern berichtet, sei »ein wesentlich­er Teil der Propaganda rechtsnati­onaler Gruppierun­gen«. Analysen zeigten, dass fremde Menschen schon seit Jahrzehnte­n deutlich »überpropor­tional im Vergleich zur Realität als Täter« in der Berichters­tattung dargestell­t würden. Noch größer zu berichten, wäre schlicht »Sensations­geilheit« und gefährde das vertrauens­volle Zusammenle­ben.

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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