nd.DerTag

Mischung aus Klopp und Tuchel

Dortmunds Trainer Lucien Favre fördert erfolgreic­h die Jugend – und sorgt ständig für neue Impulse

- Von Daniel Theweleit, Dortmund

Borussia Dortmund feiert mit dem 3:0 gegen AS Monaco nun auch in der Champions League einen überzeugen­den Sieg. Die Wende zum Guten kam einmal mehr von der Auswechsel­bank. Längst war der prachtvoll­e Saisonauft­akt von Borussia Dortmund um ein neues und ziemlich aufschluss­reiches Kapitel bereichert worden, Monaco war besiegt, es lief die Nachspielz­eit, aber Lucien Favre wedelte immer noch wild mit den Armen. Der normalerwe­ise eher ruhig coachende Trainer rief Anweisunge­n über den Platz, als stünde diese Partie, die kurz darauf mit dem Endergebni­s 3:0 abgepfiffe­n wurde, noch auf der Kippe, er war außer sich.

Man müsse eben »peu à peu Dinge korrigiere­n«, erklärte Favre später, und vielleicht war er in diesen letzten Augenblick­en auch deshalb so aktiv, weil seine Korrekturv­orschläge in dieser Mannschaft offenbar auf einen äußerst fruchtbare­n Boden fallen. Nach dem leichtfüßi­gen 7:0 gegen den 1. FC Nürnberg und dem dank einer Willenslei­stung erzwungene­n folgenden 4:2 in Leverkusen haben die Dortmunder nun auch auf internatio­nalem Niveau ein Spiel gewonnen, das von einer beeindruck­enden Reife geprägt war. »Geduld« sei der Schlüssel zu diesem souveränen Sieg gewesen, sagte Kapitän Marco Reus. Nach einer fußballeri­sch sehr guten, aber zu wenig zwingenden ersten Hälfte hatte das Trainertea­m den Spielern in der Pause exakt die richtigen Hinweise gegeben.

Manches deutet darauf hin, dass Favre derzeit eine spannende Mixtur aus dem Stil der Dortmunder Zeit mit Jürgen Klopp und dem anspruchsv­ollen Ballbesitz­spiel des ersten Jahres unter Thomas Tuchel anrührt. Wie unter dem heutigen Trainer von Paris St. Germain ist der BVB in der Lage, sehr kultiviert mit präzisen flachen Pässen aus der eigenen Hälfte bis in die Nähe des gegnerisch­en Tores zu kombiniere­n. Und wie einst Klopp ordnet Favre in der Pause erstaunlic­h oft die passenden Verbes- serungsmaß­nahmen an und wechselt Spieler ein, die entscheide­nde Impulse geben. Acht Jokertore hat der BVB im bisherigen Saisonverl­auf schon geschossen. Wobei es immer wieder andere Spieler sind, die nach ihren Einwechslu­ngen zu prägenden Faktoren werden. Es sei »überlebens­wichtig«, dass immer wieder diese kraftvolle­n Impulse von der Auswechsel­bank kommen, sagte Reus.

Am Mittwochab­end kam Jacob Bruun Larsen nach der Pause ins Spiel, schoss kurz darauf das 1:0 (51.), bereitete Marco Reus’ 3:0 vor (90.) und berichtete später, wie intensiv Favre mit ihm zusammenar­beitet. »Wir haben jeden Tag Vieraugeng­espräche«, erzählte der Däne über den Alltag mit seinem Trainer. Immer wieder gehe es um die ganz kleinen Feinheiten, um »Taktik, Defensivve­rhalten, oder darum, wie ich schießen soll«.

Genau hier liegt eine zentrale Stärke Favres, und diese Arbeitswei­se erklärt vielleicht auch, warum viele sehr junge Spieler plötzlich so stark sind. Der 19-jährige Dan-Axel Zagadou, der zum ersten mal drei komplette Pro- fispiele am Stück absolviere­n durfte, hat sich zu einer Stütze der Mannschaft entwickelt, Jadon Sancho (18) ist dabei, Christian Pulisic (20) dauerhaft aus der ersten Elf zu verdrängen. Bruun Larsen ist auch erst 20 und macht derzeit gewaltige Fortschrit­te. Da muss der 23-jährige Manuel Akanji erkennen: »Wenn ich diese Mannschaft anschaue, gehöre ich schon nicht mehr zu den Jüngeren.«

Die Schwere der vergangene­n Jahre, die nach den vielen Konflikten auf dem Kader lastete, ist auch wegen dieser Aufwertung der Jungen vollkommen verflogen. Mittlerwei­le produziert die Mannschaft sogar so viele schöne Geschichte­n, dass weniger erfreulich­e Themen wie die anhaltende Krise des Mario Götze oder die Erinnerung­en an das Bombenatte­ntat beim vorherigen Gastspiel der AS Monaco im April 2017 im Nachgang dieser Partie überhaupt keine Rolle mehr spielten.

Eine Erfolgsges­chichte erzählt beispielsw­eise von Reus, der sich mit fast schon väterliche­r Haltung um das Wohlbefind­en seiner Mitspieler küm- mert. Eigentlich war der Kapitän für die Ausführung von Elfmetern vorgesehen, doch als es wirklich einen Strafstoß gab, wollte Reus lieber Paco Alcácer »ein Tor gönnen«, wie er später berichtete. Zwar verschoss der Spanier, aber die Geste ist Ausdruck des ehrlichen Wunsches, dass der Kollege sich möglichst wohl fühlen möge. »Der Teamgeist stimmt!«, sagte auch Torwart Roman Bürki.

Kurz darauf traf Alcácer dann doch zum 2:0 (72.), es war sein viertes Tor im dritten Spiel für die Dortmunder, und am Tag danach wurde er erstmals nach zwei Jahren wieder ins spanische Nationalte­am berufen. Viele kleine Dinge fügen sich zu einem schlüssige­n Bild der Stärke zusammen. In den ersten Saisonwoch­en spielte bei Erfolgen noch der Faktor Glück eine große Rolle. Das hat sich gewandelt. »Auf jeden Fall verdient« sei dieser zweite Sieg im zweiten Champions-League-Spiel, sagte Favre, der im Moment in einem Umfeld arbeitet, in dem auch er seine großen Stärken zur Geltung bringen kann: die Arbeit an den Feinheiten.

 ?? Foto: AFP/Ina Fassbender ?? Dortmunds Axel Witsel (2.v.l.) zieht an seinem belgischen Landsmann Youri Tielemans (l.) vorbei, der mit Ajax Amsterdam beim BVB chancenlos blieb.
Foto: AFP/Ina Fassbender Dortmunds Axel Witsel (2.v.l.) zieht an seinem belgischen Landsmann Youri Tielemans (l.) vorbei, der mit Ajax Amsterdam beim BVB chancenlos blieb.

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