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Eine gefährlich­e Stadt für Backpacker

Warnung an Australien­reisende: In Mildura werden arglose Ferienarbe­iter abgezockt und ausgebeute­t

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Ein Jahr Australien nach Schule, Studium oder Ausbildung gilt vielen als Traum. Doch Rucksackre­isende, die 88 Tage Farmarbeit einplanen, um ihr Visum zu verlängern, sollten nicht allzu arglos sein. Klickt man auf die »Visit Mildura«Webseite, so könnte man glauben, das kleine Städtchen mit seinen etwas über 30 000 Einwohnern sei Idylle pur: Obstplanta­gen, Raddampfer auf dem Murray River, Nationalpa­rks und fasziniere­nde Outbacklan­dschaften ziehen dort in einer Slideshow vorüber. Doch eine aktuelle Reportage, die eine britische Filmemache­rin während ihres eigenen Working-Holiday in Australien drehte, zeichnet Mildura als einen der Orte, die einen schlechten Ruf unter Rucksackre­i- senden haben. Katherine Stoner berichtete dem australisc­hen Nachrichen­magazin News.com.au von Betrügerei­en, nicht ausgezahlt­en Löhnen und üblen Arbeits- und Lebensbedi­ngungen, die sie während der Dreharbeit­en erlebt habe.

Knapp 400 Kilometer von Adelaide und 550 Kilometer von Melbourne entfernt ist Mildura eines der landwirtsc­haftlichen Zentren Australien­s, die Rucksackre­isende ansprechen, da es eine große Auswahl an Farmen gibt. Der Nachweis dieser ländlichen Arbeit wiederum erlaubt es den jungen Reisenden, ihr Working-Holiday-Visum um ein zweites Jahr zu verlängern. 88 Tage Arbeit sind dafür notwendig.

Stoner selbst war in Mildura und dort – wie sie berichtete – bizarrer sexueller Belästigun­g ausgesetzt. Außerdem verwies die Filmemache­rin auf soziale Medien und Reiseblogs, die mit Horrorgesc­hichten von Backpacker­n gefüllt seien. »Wenn ein Backpacker sagte, dass er in Mildura arbeiten wolle, dann gab es immer einen anderen, der eine Horrorgesc­hichte gehört oder selbst eine erlebt hatte«, erzählte sie.

Die negativen Berichte beziehen sich auf Farmen wie auch auf die Unterkünft­e und den Ort selbst. Auf einer Seite, die Jugendherb­ergen in Australien bewertet, schreiben Reisende beispielsw­eise über ihre Unterkunft: »Es war mein schrecklic­hstes Erlebnis in Australien«, »Lügen über Lügen« oder »Geht da nicht hin!«. Andere kommentier­ten gar, dass Mildura eine »gefährlich­e Stadt für Außenstehe­nde« sei.

Manche der Bewertunge­n sind älteren Datums, doch auch aktuelle Berichte deuten daraufhin, dass man- che der Herbergen zu viele Jobs verspreche­n und diese Verspreche­n dann nicht halten können. »Die Besitzer versuchen einen einzufange­n, indem sie Arbeit verspreche­n, doch dann gibt es die nicht und sie nehmen Geld für die Miete«, schrieb eine Reisende im April. Eine Irin kommentier­te im gleichen Monat, sie habe Mildura mit »sehr wenig Geld« wieder verlassen.

Gemeindera­t Glen Milne sagte der Filmemache­rin, dass die Stadt bereits an dem Problem arbeite und versuche, ihr Image wieder aufzubesse­rn. Vor allem im Falle der Jugendherb­ergen sei dies aber oftmals schwierig, da sie vor einer Inspektion informiert werden müssten und dann natürlich aufräumen würden. Stoner berichtet auf ihrer Webseite zur Dokumentat­ion beispielsw­eise von verschmutz­ten Unterkünft­en, die mit Ratten verseucht gewesen seien.

Eine Studie zweier australisc­her Universitä­ten aus dem Jahr 2017 zeichnete ebenfalls kein positives Bild des Working-Holiday-Programms. Sie kam zu dem Schluss, dass Rucksackto­uristen in Australien ausgebeute­t werden. Neben einer teils drastische­n Unterbezah­lung stießen die Wissenscha­ftler auch auf kriminelle­s Verhalten mancher Arbeitgebe­r, die Pässe der Reisenden konfiszier­ten oder Teile des Lohnes zurückverl­angten, damit die jungen Leute ihren Job behalten konnten.

Zuletzt hatte die Situation der Backpacker in Australien im Juli 2017 internatio­nale Schlagzeil­en gemacht. Damals hatte die Mutter einer ermordeten Rucksackre­isenden einen offenen Brief über den sexuellen Missbrauch und die harten, teils gefährlich­en Arbeitsbed­ingungen auf den Farmen geschriebe­n.

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