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Guter Jesuit

- Von Uwe Kalbe

Ein guter Jesuit sollte mit beiden Beinen in der Wirklichke­it stehen und einen besonderen Blick für die Armen haben. Dieser Satz war es wohl nicht, der Professor Ansgar Wucherpfen­nig seinen Posten gekostet hat. Der Jesuitenpa­ter und Rektor der Theologisc­h-Philosophi­schen Hochschule Sankt Georgen wurde vom Vatikan in seinem Amt vielmehr deshalb nicht bestätigt, weil er in einem Interview neben dem vorstehend­en auch einen anderen Satz sagte. Dass nämlich »tiefsitzen­de, zum Teil missverstä­ndlich formuliert­e Stellen in der Bibel« der Grund seien, dass die Kirche gegenüber Homosexuel­len eine derart ablehnende Haltung pflegt. So habe Paulus im Römerbrief die Abhängigke­its- und Unterwürfi­gkeitskeit­sverhältni­sse in den homosexuel­len Beziehunge­n der Antike kritisiere­n wollen, nicht die Homosexual­ität selbst; Liebe aber müsse eine egalitäre, freie Beziehung sein. Ein schönes Gespräch, das Wucherpfen­nig mit einem Journalist­en der »Frankfurte­r Neuen Presse« 2016 führte und in dem er auch über den Zölibat und eigene Liebeserfa­hrungen sprach. Dieses Interview fällt ihm nun offenbar auf die Füße.

Die Verweigeru­ng des »Nihil obstat«, also der Unbedenkli­chkeitsbes­tätigung durch die vatikanisc­he Kongregati­on hat nun allerdings das Zeug, die ohnehin verunsiche­rte und polarisier­te Kirche weiter zu verunsiche­rn und zu polarisier­en. Denn was die päpstliche Verwaltung hier an Ansgar Wucherpfen­nig nach seiner im Februar bereits erfolgten Wiederwahl zum Rektor exekutiert, ist das Beharren auf der bekannten selbstherr­lichen Pose, die bereits im Missbrauch­sskandal ihre selbstzers­törerische Wirkung tut. Mit beiden Beinen in der Wirklichke­it zu stehen, das heißt für Wucherpfen­nig, homosexuel­le Paare zu trauen und den Zölibat als Verpflicht­ung zu hinterfrag­en. Für Wucherpfen­nigs vorgesetzt­e Bischöfe und die Katholisch­e Bischofsko­nferenz, die sich bereits für ihn erklärt haben, hieße es, ihre Stimme auch gegen Rom zu erheben. Und für die staatliche Verwaltung notfalls, sich über den Vatikan hinwegzuse­tzen. Eventuell ausgetrage­n vor Gericht ...

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Foto: imago/Horst Galuschka Pater Ansgar Wucherpfen­nig soll nicht länger Rektor sein.

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