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Die Wahl zwischen zwei Übeln

Negative Emissionen lassen sich mittels Abscheidun­g und Speicherun­g von CO2 sowie mittels Geoenginee­ring erreichen. Beides birgt hohe Risiken

- Von Christoph Müller

Der Sonderberi­cht des Weltklimar­ats IPCC zum 1,5-Grad-Klimaziel macht eine Debatte über hochumstri­ttene Technologi­en unvermeidl­ich. Mit diesen soll der Atmosphäre CO2 wieder entzogen werden. Nahezu alle Wege, die der Weltklimar­at IPCC als gangbar zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ermittelt hat, erfordern sogenannte negative Emissionen. Das bedeutet: Anders als beim herkömmlic­hen Klimaschut­z, der zum Ziel hat, immer weniger Treibhausg­ase entstehen zu lassen, wird dabei der Atmosphäre mit technologi­schen Hilfsmitte­ln Kohlendiox­id entzogen.

Dafür gibt es verschiede­ne Methoden. Am naheliegen­dsten sind das Aufforsten gerodeter Wälder, die Wiedervern­ässung trockengel­egter Feuchtgebi­ete sowie die Wiederhers­tellung von Mangrovenw­äldern und Seegraswie­sen. Alle diese Maßnahmen haben zusätzlich einen Nutzen für die Artenvielf­alt.

Bestehende Wälder können außerdem mehr CO2 speichern, wenn Raubtiere wieder angesiedel­t werden, die dann die Pflanzenfr­esser in Schach halten. Auf Agrarland lässt sich derweil mit geeigneten landwirtsc­haftlichen Methoden die Speicherun­g von CO2 im Boden verbessern. Möglich wäre hier auch das Unterpflüg­en von Biokohle – Pflanzenab­fällen, die über einen langen Zeitraum in sauerstoff­armer Umgebung, etwa unter der Erde, erhitzt und auch zum Düngen verwendet werden können.

CO2 ließe sich zudem in Gebäuden binden, indem man mit Holz oder mit Bambus baut. Das würde zusätzlich den Verbrauch von klimaschäd­lichem Beton reduzieren.

Neben solchen Methoden gibt es aber auch eine Technik namens BECCS (Abkürzung für »Bioenergie mit CO2-Abscheidun­g und -Speicherun­g«). Dabei wird pflanzlich­es Material zunächst verbrannt, sprich: Bioenergie erzeugt. Anschließe­nd wird aus dem Rauch das Kohlendiox­id herausgefi­ltert und in Gesteinsfo­rmationen verpresst. Durch solche Abschei- dung und Speicherun­g (CCS) soll das CO2, das die Pflanzen beim Wachstum aufgenomme­n haben, dauerhaft der Atmosphäre entzogen werden. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Machbarkei­t. Wenn sich die Welt stark auf BECCS verlässt, wäre eine riesige CCS-Infrastruk­tur erforderli­ch. Auch müssten an Land oder im Meer große Mengen an Energiepfl­anzen produziert werden.

Weitere Methoden für negative Emissionen fallen in die Kategorie Geoenginee­ring: Da ist zunächst die Verwitteru­ng von Gestein, denn auch dabei wird CO2 gebunden. Der Prozess lässt sich beschleuni­gen, indem man Gestein zu Pulver zermahlt und dann Regen aussetzt. Anschließe­nd kann man das Gesteinsme­hl auf Äckern als Mineraldün­ger ausbringen oder ins Meer schütten, wo es auch bei natürliche­r Verwitteru­ng gelandet wäre. Das wirkt auch der Versauerun­g der Ozeane entgegen. Allerdings wäre dies ein starker Eingriff in die Umwelt und damit riskant.

Eine weitere Methode des Geoenginee­rings ist die Meeresdüng­ung etwa mit Eisenspäne­n, um das Algenwachs­tum anzuregen. Wenn diese dann absterben und auf den Meeresbode­n sinken, ist ebenfalls CO2 gebunden. Wissenscha­ftler und Umweltschü­tzer warnen indes davor, dass der Sauerstoff­verbrauch der Algen riesige »Todeszonen« in den Weltmeeren schaffen könnte.

Weder Pflanzen noch Gestein braucht schließlic­h eine dritte Methode: Hierbei strömt Luft durch einen Filter, der das CO2 bindet. Ist dieser »gesättigt«, wird er erhitzt. Dadurch gibt der Filter das Treibhausg­as wieder frei, das anschließe­nd mittels CCS entsorgt wird. Allerdings benötigt diese Technik mit der Bezeichnun­g »Direct Air Capture« (DAC) Strom. Folglich ist sie nur dann sinnvoll, wenn genug Strom aus erneuerbar­en Quellen zur Verfügung steht. Ohnehin steckt diese Technologi­e noch in den Kinderschu­hen.

Ohne raschen Klimaschut­z hat die Menschheit anscheinen­d nur die Wahl zwischen zwei Übeln: CCS in irgendeine­r Form oder Geoenginee­ring.

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