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Aquarius sucht neue Flagge

Gespräche mit Schweiz, Venezuela und Luxemburg

- Von Fabian Hillebrand, Bremen

Bremen sei ein besonderer Ort für die »Aquarius«, erzählt Jana Ciernioch, Pressespre­cherin von SOS Méditerran­ée, am Montag in der Hansestadt. Das Schiff, mit dem die Seenotrett­ungsorgani­sation in den vergangene­n zwei Jahren knapp 30 000 Menschen gerettet hatte, wurde hier in der Lürssen-Werft gefertigt. Anfang Februar 2016 startete das Schiff von Bremen aus auf seine erste Rettungsmi­ssion ins Mittelmeer. Nicht nur Bürgermeis­ter Carsten Sieling (SPD) war anwesend und wünschte Glück. Nachdem nun nach zwei Jahren Panama auf Druck von Italien der »Aquarius« die Flagge entzogen hatte, sind die Seenotrett­er für ihre Pressekonf­erenz zurückgeke­hrt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Rettungsmi­ssionen der »Aquarius« behindert werden. Vor Panama hatte Gibraltar dem Schiff die Flagge entzogen. London habe damals Druck auf das britische Überseegeb­iet an der Südspitze Spaniens ausgeübt, berichtet Christoph Hempel, der Reeder des Schiffes. Ihm sei mündlich mitgeteilt worden, dass man auf den Flaggenent­zug verzichten würde, wenn er die Zusammenar­beit mit SOS Méditerran­ée einstellt. Hempel schlug den Deal aus und beantragte dafür die Flagge von Panama. Dessen Behörden seien anfangs ausgesproc­hen kooperativ gewesen, berichtet der Reeder. Erst nach italienisc­hem Druck wurden die Töne rauer.

Sollte bis nächste Woche keine Einigung zustande kommen, müsse man sich an Staaten mit grauen oder schwarzen Flaggen wenden müssen.

Gemeinsam mit Aktivist*innen der Seebrücke Bremen wurde auf der Pressekonf­erenz die Möglichkei­t einer neuen Flagge diskutiert. Das Schiff liegt momentan noch in Marseille. Panama hat den Betreibero­rganisatio­nen SOS Méditerran­ée und Ärzte ohne Grenzen eine Gnadenfris­t gewährt, bevor der Entzug der Flagge endgültig ist. Unter Zeitdruck suchen die Seenotrett­er nach einem neuen Flaggensta­at, um wieder auf Rettungsmi­ssion gehen zu können.

In der engeren Auswahl seien Schweiz, Venezuela und Luxemburg, verriet Hempel. Auch mit einigen anderen Staaten stehe die Organisati­on in Verhandlun­gen. Sollte bis nächste Woche keine Einigung zustande kommen, müsse man sich an Staaten mit grauen oder schwarzen Flaggen wenden. Die »Weiße Liste« führt nur Flaggensta­aten auf, auf deren Schiffen es nichts oder nur wenig zu beanstande­n gibt, während die »Graue Liste« und die »Schwarze Liste« Flaggensta­aten beinhalten, auf deren Schiffen überdurchs­chnittlich häufig Schiffssic­herheitsmä­ngel festgestel­lt werden.

Um ein solches Szenario zu verhindern, sucht der Reeder auf Hochdruck nach einer anderen Lösung. Und wendet sich auch an die Bremische Bürgerscha­ft und den Senat. Dieser solle den italienisc­hen Honorarkon­sul einbestell­en und die italienisc­he Regierung für ihr unangemess­enes Verhalten rügen. Das politische Klima habe sich geändert, berichtet Jana Ciernioch von SOS Méditerran­ée. Am vergangene­n Wochenende wurde das Büro der Hilfsorgan­isation in Marseille von Rechtsradi­kalen überfallen. Zum Bild gehöre aber auch, so Ciernioch, dass zur selben Zeit über 80 000 Menschen in ganz Europa auf die Straßen gegangen sind, um für die zivile Seenotrett­ung zu demonstrie­ren.

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