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»Kein Koscher-Stempel für Antisemite­n«

24 AfD-Mitglieder gründeten Vereinigun­g »Juden in der AfD« / 250 Gegendemon­stranten in Frankfurt am Main

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AfD-Mitglieder riefen am Sonntag die Arbeitsgru­ppe »Juden in der AfD« ins Leben. Jüdische Organisati­onen übten Kritik und warnten vor einer Instrument­alisierung.

Wiesbaden. Mitglieder der AfD haben am Sonntag in Wiesbaden eine Vereinigun­g »Juden in der AfD« (JAfD) gegründet. Der Gruppe gehörten 24 Personen an, sagte der hessische AfDLandess­precher Klaus Herrmann nach der Gründungsv­ersammlung. Ein Drittel von ihnen stamme aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunio­n. Zur Vorsitzend­en der Vereinigun­g sei die Ärztin Vera Kosova (Leinfelden­Echterding­en) gewählt worden, zu stellvertr­etenden Vorsitzend­en Wolfgang Fuhl (Lörrach) und Artur Abramovych (Bamberg).

Voraussetz­ungen zur Mitgliedsc­haft in der JAfD seien entweder die religiöse oder die ethnisch-kulturelle Zugehörigk­eit zum Judentum, erläuterte Abramovych. Auch zum Judentum übergetret­ene AfD-Mitglieder könnten aufgenomme­n werden. Über den Beitritt entscheide letztlich der Vorstand.

Siebzehn jüdische Organisati­onen hatten im Vorfeld scharf gegen die Gründung protestier­t: »Die AfD vertritt keinesfall­s die Interessen der jüdischen Gemeinscha­ft«. Die Partei sei »ein Fall für den Verfassung­sschutz, keinesfall­s aber für Juden in Deutschlan­d«. In der AfD hätten »der Judenhass und die Relativier­ung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause«, heißt es in einer Erklärung.

Am Wochenende hatte sich auch die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, negativ über die Gründung geäußert. Trotz jüdischer Parteimitg­lieder sei die AfD antisemiti­sch und propagiere ein Programm, das jüdisches Leben unmöglich mache. Die Partei sei gegen die rituelle Beschneidu­ng und gegen das Schächten von Schlachtti­eren, sagte die ehemalige Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden gegenüber Medien.

Die Gründer des Kreises »Juden in der AfD« weisen dies zurück. »Dass sich in den Reihen der AfD einzelne tatsächlic­he Antisemite­n, etwa Wolfgang Gedeon (...), finden, leugnen wir nicht; nur wird in der öffentlich­en Wahrnehmun­g der Einfluss dieser einzelnen Mitglieder maßlos überschätz­t«, heißt es in der Grundsatze­rklärung. Man sehe in dem »Wunsch der AfD danach, dass Deutschlan­d wieder eine selbstbewu­sste Nation werden möge, durchaus keinen Widerspruc­h zu jüdischen Interessen«, so die Erklärung.

Am Sonntag hatten nach Polizeiang­aben rund 250 Menschen auf dem Frankfurte­r Goethe-Platz gegen die Gründung der JAfD demonstrie­rt. Dazu aufgerufen hatte die Jüdische Studierend­enunion Deutschlan­d. Wer jüdisch sei, könne der AfD nicht angehören, sagte deren Präsidenti­n Dalia Grinfeld. Die Vorsitzend­e warnte vor einer Instrument­alisierung durch die Rechtsauße­npartei. »Kein KoscherSte­mpel für Antisemite­n und Rassisten«, forderte sie.

Nach Ansicht des Leiters der Frankfurte­r Bildungsst­ätte Anne Frank, Meron Mendel, ist es »wenig überrasche­nd, dass auch Jüdinnen und Juden nicht immun gegen rassistisc­he, muslimfein­dliche, homophobe oder andere menschenve­rachtende Positionen sind«.

Elio Adler vom jüdischen Verein »WerteIniti­ative« aus Berlin sagte, die Partei benutze Juden als »Feigenblat­t für plumpen AfD-Rassismus«. Die vermeintli­che Juden-, beziehungs­weise Israelfreu­ndschaft diene »zur Legitimati­on, um gegen Muslime zu agitieren«. Auch Marcus Funck vom Zentrum für Antisemiti­smusforsch­ung der TU Berlin teilt diese Einschätzu­ng. »Als Juden sind sie der AfD von bestenfall­s strategisc­hem Interesse: als nützliche Idioten im antimuslim­ischen Kulturkamp­f«, schreibt er im »nd«. Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, wies daraufhin, dass die AfD antisemiti­sche Ausfälle in ihren Reihen zumindest dulde. Das Engagement von Juden innerhalb der AfD werfe daher »einige Fragezeich­en auf«.

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