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Was geschah mit Jamal Khashoggi?

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

In der Türkei wird seit Tagen ein Journalist vermisst; die türkische Polizei vermutet, er sei im saudischen Konsulat ermordet worden. In Riad bestreitet man dies. Was geschah mit Jamal Khashoggi? Der 59-jährige Journalist habe das saudische Konsulat in der türkischen Metropole Istanbul am Dienstag vergangene­r Woche betreten, um Unterlagen für die Hochzeit zu besorgen, sagt seine türkische Verlobte Hatice Cengiz: »Ich habe Stunden lang vor dem Eingang gewartet, aber er ist nicht wieder heraus gekommen.« Und bei der »Washington Post«, für die er zuletzt als Kolumnist arbeitete, sagen Kollegen, es sei nicht seine Art, einfach zu verschwind­en.

Gerade deshalb mache man sich so große Sorgen: Khashoggi interviewt­e einst mehrmals Osama bin Laden, war Berater des ehemaligen saudischen Geheimdien­stchefs und Botschafte­rs in den Vereinigte­n Staaten, Turki bin Faisal bin Abdulaziz al Saud. Später wurde er dann Chefredakt­eur der Zeitung »al Watan«, wandelte sich zum Kritiker der radikalen saudischen Auslegung des Islam und des repressive­n Regierungs­stils von Kronprinz Mohammed bin Salman.

Vom Schlimmste­n gehen auch die türkischen Behörden aus: Man habe Aufnahmen von Straßenkam­eras, auf denen zu sehen ist, wie eine Limousine mit getönten Scheiben das Gelände des Konsulats verlässt, sagt ein Sprecher der türkischen Polizei. Zudem sei »eine Gruppe von Personen« an einem Istanbuler Flughafen eingereist, und habe das Land »bereits nach wenigen Stunden wieder verlassen«, heißt es. In den türkischen Medien, aber auch in der Washington Post, wird derweil – oft unter Berufung auf Mitarbeite­r der türkischen Polizei – berichtet Khashoggi sei im Konsulat ermordet worden. Belege gibt es dafür allerdings bislang nicht.

Für die türkische Regierung ist dies indes kein normaler Vermissten­fall: Khashoggi ist ein Freund von Yasin Aktay, Berater von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan. Zudem nimmt man der saudischen Regierung übel, dass sie nichts zur Aufklärung beiträgt: Die Kameras im Konsulat seien außer Betrieb gewesen, heißt es im saudischen Außenminis­terium. Auch den Zugang zum Konsulat verweigert man den türkischen Behörden.

In Ankara sieht man dies als bewusste Provokatio­n: Die Beziehunge­n zu Saudi-Arabien sind ohnehin seit langem angespannt. Seit Erdogan die türkischen Beziehunge­n zu Katar und Iran vertieft, Militärbas­en in Katar, in Somalia und im Sudan errichten lässt, herrscht Eiszeit zwischen Riad und Ankara. In Riad wirft man Erdogan »osmanische­n NeoKolonia­lismus« vor, er wolle Saudi-Arabien destabilis­ieren. Ein Sprecher von Kronprinz Mohammad hält der türkischen Regierung zudem vor, nun auch diese Situation für ihre Zwecke »ausschlach­ten« zu wollen.

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Foto: AFP/Ozan Kose

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