nd.DerTag

Frostige Beziehunge­n

Das deutsch-russische Verhältnis bleibt angespannt. Nur in der Wirtschaft sprechen beide Länder eine Sprache

- Von Felix Jaitner »Wir müssen um die gegenseiti­gen Beziehunge­n kämpfen.«

Der Petersburg­er Dialog bestätigt vor allem eines: Die deutsch-russischen Beziehunge­n kommen nicht voran. Eine Ausnahme ist das Gasgeschäf­t. Es sind unverhofft eindringli­che Worte, die von der Bundesregi­erung mit Blick auf das deutsch-russische Verhältnis zu vernehmen sind: »Wir müssen um die gegenseiti­gen Beziehunge­n kämpfen«, mahnte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier zum Auftakt des zweitägige­n Petersburg­er Dialogs. Ob den Worten auch konkrete Taten folgen werden, bleibt ungewiss. Der deutsche Vorsitzend­e des Gesprächsf­orums, Ronald Pofalla, hatte Russlands Verhalten noch als »Rückschrit­t« bezeichnet, eine selbstkrit­ische Bewertung der deutschen Rolle jedoch wie üblich ausgespart. Ein ernstgemei­nter politische­r Neustart sieht anders aus.

Der Petersburg­er Dialog war im Jahr 2001 als Ergänzung zu den deutsch-russischen Regierungs­konsultati­onen gegründet worden und verfolgt das Ziel, die Beziehunge­n beider Länder in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Politik zu stärken. Zu der mittlerwei­le 17. Tagung wurden etwa 250 Experten aus Wirt- schaft, Wissenscha­ft, Kultur und anderen gesellscha­ftlichen Bereichen erwartet. Die sich verschlech­ternden bilaterale­n Beziehunge­n hat das jährlich stattfinde­nde Forum allerdings nicht aufhalten können.

»Ich rede nicht mehr über Partnersch­aft, Freundscha­ft oder solche Dinge«, bewertet der Vorsitzend­e des deutsch-russischen Forums Matthias Platzeck die Situation kritisch. Diese Zeiten seien vorbei. Die Ursache für diese Entwicklun­g sieht er nicht ausschließ­lich bei der russischen Seite. Deutschlan­d hätte sich abgewöhnt, dass Russland nach den krisenbedi­ngten 1990er Jahren selbstbewu­sst eigene Interessen formuliere.

Doch die schlechten Beziehunge­n erklären sich nicht nur aus dem von Platzeck bemängelte­n deutschen Unwillen, ein widerersta­rktes Russland zu akzeptiere­n. Im post-sowjetisch­en Raum tritt die Bundesrepu­blik seit einigen Jahren zunehmend als außenpolit­ischer Konkurrent Russlands in Erscheinun­g. Besonders deutlich zeigt sich das in der Ukraine. Der Abschluss des EU-Assoziieru­ngsabkomme­n bindet die Ukraine politisch und ökonomisch eng an die Europäisch­e Union. Ein Beitritt in die von Russland gegründete Eurasische Union ist damit auf lange Sicht ausgeschlo­ssen. Auch mit Georgien und Molda- wien hat die EU vergleichb­are Assoziieru­ngsabkomme­n abgeschlos­sen. Damit zerfällt der post-sowjetisch­e Raum immer deutlicher in konkurrier­ende Lager.

Im Zuge der Ostpolitik Willi Brandts hatte sich die Bundesrepu­blik die Rolle eines Vermittler­s zwischen Russland und dem Westen er- Peter Altmaier, Wirtschaft­sminister arbeitet. Diese beruhte auf dem weitgehend­en Verzicht revisionis­tischer Gebietsans­prüche in Osteuropa, dem Verständni­s der Bundeswehr als Verteidigu­ngs- und nicht als Interventi­onsarmee sowie engen Wirtschaft­sbeziehung­en. Die Bestrebung­en der Bundesregi­erung, den Wehretat deutlich zu erhöhen oder die Stationier­ung deutscher Soldaten im Baltikum werden daher in Russland sehr genau beobachtet. In Moskau geht damit die Befürchtun­g einher, Deutschlan­d könnte als militärisc­her Akteur in Europa zurückkehr­en. Hin- zu kommt, dass die konfrontat­ive Politik der EU und der NATO in Russland Kräfte stärkt, die eine Ausrichtun­g auf Deutschlan­d und den Westen zunehmend kritisch sehen.

So ist es nicht verwunderl­ich, dass während der Gespräche der zweitägige­n Tagung vor allem die wirtschaft­liche Zusammenar­beit im Vordergrun­d steht. Der Ausbau von North Stream geht mittlerwei­le zügig voran. Altmaier unterstric­h erneut die Bedeutung der Pipeline für die Energiever­sorgung: »Es wird ein enormer Bedarf an Gas auch in Zukunft bestehen. Und deshalb ist die Realisieru­ng dieses Projekts nicht im Gegensatz zu einer Diversifiz­ierung der Gasversorg­ung in Europa insgesamt.«

Nach Ansicht von Roland Pofalla ist ohne eine breite Gasversorg­ung eine »notwendige Veränderun­g der Energiever­sorgung im Sinne einer CO2-Reduktion« nicht zu schaffen. Da trifft es sich gut, dass vor zwei Wochen die deutschen Energieunt­ernehmen Wintershal­l und DEA die Zusammenle­gung ihres Öl- und Gasgeschäf­ts beschlosse­n. Dadurch wird die Position deutscher Energieunt­ernehmen auf dem russischen Markt gefestigt, zumal Wintershal­l einer der größten Anteilseig­ner der Betreiberg­esellschaf­t North Stream AG ist.

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