nd.DerTag

Leidend und Lenin

- Hds

Dieser

Schauspiel­er wird, so lange Erinnerung reicht, Pinneberg bleiben. Der kleine Angestellt­e im deutschen Krisengetr­iebe. Dem großen Gespenst der Zeit ausgeliefe­rt, der Arbeitslos­igkeit. Er wird davon überfallen wie von einem Virus, das zum Fieber führt: »Kleiner Mann – was nun?« von Hans Fallada, 1967 in Adlershof zum TV-Ereignis gemacht – in einem Mehrteiler von Hans-Joachim Kasprzik. Der Film gehört zum Bleibenden der DDRFilmkun­st. Arno Wyzniewski gab mit großen, staunenden Augen ein zerbrechli­ches Wesen, dem die Autonomie rasend-düster abhandenko­mmt. Ein Hoffnungsg­läubiger, auf hoffnungsl­oser Flucht vor dem sozialen Abgrund. Der Schauspiel­er stark neben Starken: Jutta Hoffmann als Lämmchen, Inge Keller als Mia Pinneberg, Wolf Kaiser als Lachmann. Wer diesen Film heute sieht, schaut ins Gesicht der Gegenwart: Menschen zwischen »Hoppla, wir leben noch!« und »Hoppla, wir stolpern schon!«

Schauspiel­schule Berlin, Theater der Freundscha­ft, Potsdam, Maxim Gorki Theater, Volksbühne, Berliner Ensemble – Wyzniewski war Hamlet und Don Carlos, Marat und in Karge/Langhoffs legendären »Räubern« der Karl Moor. In Horst Sagerts dunklem »Urfaust« spielte er den Mephisto, in Schatrows »Blaue Pferde auf rotem Gras« einen unkonventi­onellen Lenin. Einer der beliebtest­en Darsteller der DEFA und des Fernsehens. 1997 ist er gestorben, erst 58-jährig. Oft ein statuarisc­h anmutendes Erlebnis: Im wohlgeform­ten Wort konnte er Finsternis­se offenbaren; das Hagere an ihm arbeitete gern allem zu, was Drohung sein wollte. Und was aus tiefem heißen Herzen kam, wurde gern abgekühlt im Kopf. Heute wäre Arno Wyzniewski 80 geworden.

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Foto: ND/Archiv/Joachim Fieguth Arno Wyzniewski 1985

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