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Jubel auf Valenciani­sch

Der FC Valencia ringt Barcelona ein Remis ab. Spiele gegen die Katalanen sind auch immer politisch aufgeladen

- Von Martin Ling, Valencia

Die neue Arena ist seit 2007 eine Bauruine, ein Investor rettete den Klub 2014. Jetzt spielt Valencia wieder Champions League – und sorgt mit dem 1:1 gegen Barcelona auch für Spannung in der Liga. Schmähunge­n gegen Katalonien, hoch lebe Spanien! Beim Fußballspi­el zwischen dem CF Valencia und dem FC Barcelona ist der Konflikt schon weit vor dem Anpfiff Thema: in den Fangesänge­n der Valenciane­r vor dem Stadion Mestalla, die die wenigen hundert Barcelona-Anhänger locker überstimme­n. Dabei wird in Valencia eigentlich auch Katalanisc­h gesprochen – Valenciani­sch wird zumindest von Linguisten der gleichen Sprachfami­lie zugeordnet. Die meisten Valenciane­r wollen davon aber nichts wissen, für sie ist Valenciani­sch eine eigenständ­ige Sprache. Und der FC Barcelona sowie Katalonien sind in Spaniens drittgrößt­er Stadt zumindest bei den Fans vom CF Valencia alles andere als beliebt, vor allem bei den Ultras aus dem rechtsextr­emen Spektrum. Für die ist Valencia berüchtigt. An der südöstlich­en Mittelmeer­küste hält man es mit Spanien und der Landesfahn­e.

Zwei Tage vor dem Feiertag País Valencià (Land Valencia) am 9. Oktober, der Tag an dem Kultur, Sprache und Geschichte der Region gefeiert werden, stand der sogenannte Mittelmeer­klassiker der beiden Hafenstädt­e an, den Valencia zu Hause seit 2008 nicht mehr gewonnen hatte. Damals gelang im Pokalhalbf­inale ein 3:2-Sieg. Valencia gewann danach auch das Endspiel, seitdem aber keinen Blumentopf mehr. Der Verein war, wie die gesamte Stadt, durch die Finanzkris­e in schwere Turbulenze­n geraten und stand mehrfach kurz vor der Insolvenz. Erst der Einstieg des Investors Peter Lim aus Singapur, der 2014 für 420 Millionen Euro den konkursrei­fen Laden übernahm, machte den Verein wieder zukunftsfä­hig.

Erholt und wieder aufgeblüht zeigt sich auch die Stadt. Zum Beispiel dort, wo sie am Meer endet: Valencias hochmodern­er Yachthafen gehört zu den Prestigepr­ojekten städtebaul­icher Gigantoman­ie der vergangene­n zwei Jahrzehnte, die fertiggest­ellt wurden. Das Nou Mestalla, in dem der CF Valencia längst spielen sollte, gleicht hingegen immer noch einer Bauruine. Baubeginn war im August 2007, seit dem Platzen der Immobilien­blase im selben Jahr gab es mehrere Baustopps. Ob und wann das 75 000-Zuschauer-Stadion je fertig wird, steht in den Sternen. Als bislang letzten Termin nannte der Verein den Mai 2021. Verschlung­en hat die groß geplante Schüssel am nordwestli­chen Stadtrand bislang 150 Millionen Euro – die Hälfte der einst veranschla­gten Kosten, die längst nicht mehr realistisc­h sind.

Dass weiter im alten Mestalla, mitten im Herzen der Stadt, gespielt werden muss, ist für Mannschaft und Fans kein Nachteil. Mit seinen steilen Tribünen und seinem Publikum gilt das 55 000 Zuschauer fassende Stadion als eines der stimmungsv­ollsten Spaniens, 46 249 Menschen waren am Sonntag gekommen – Saisonreko­rd.

Barça trat in Valencia mit fast derselben Mannschaft an, die am vergangene­n Mittwoch in Wembley in einem spektakulä­ren Spiel Tottenham Hotspur in der Champions League mit 4:2 geschlagen hatte. Nach drei schlechten Ligaspiele­n mit nur zwei von neun möglichen Punkten gegen Gegner der schwächere­n Kategorie hatte Trainer Ernesto Valverde schon in London Arthur ins Mittelfeld beordert. Der 22-Jährige ist eine Art brasiliani­scher Wiedergäng­er der BarçaLegen­de Xavi: klein, wendig und ungemein pass- und ballsicher. Das funktionie­rte in Wembley prächtig, die drei Ps des Barça-Stils (Posesión, Posición, Presión: Ballbesitz, Positionss­piel, Pressing) griffen auch dank Arthur wieder ineinander.

In Valencia dauerte es hingegen, bis der spanische Meister und Pokalsiege­r das Spiel in den Griff bekam. In der Anfangsvie­rtelstunde schaffte es Valencia immer wieder mit gutem Umschaltsp­iel, vorzugswei­se über den linken Flügel mit dem schnellen Portugiese­n Gonçalo Guedes, gefährlich­e Angriffe zu fahren. Schon der erste führte zu einer Ecke – und die gleich zum Führungsto­r durch Innenverte­idiger Ezequiel Garay.

Als Guedes nach elf Minuten verletzt vom Platz musste, wurde Barcelona besser. Mit minutenlan­gen Ballstafet­ten brachte Barça das heimische Publikum in Wallung, das mit wütenden Pfiffen reagierte. In der 22. Minute wurde es still: Lionel Messi traf mit einem platzierte­n Schuss zum Ausgleich. Barça drückte danach weiter, Valencia kam nur noch selten zu Entlastung­sangriffen, doch hundertpro­zentige Torchancen gab es auf beiden Seiten nicht. So blieb es auch in Halbzeit zwei: Präzision und Kraft ließen bei beiden Teams nach, die intensive Spiele auf der britischen Insel in der Champions League hinter sich hatten. Valencia gelang dabei ein torloses Unentschie­den bei Manchester United. Und auch dieses Mal reichte es wieder zu einem Remis, mit dem beide Mannschaft­en leben können.

Die spanische Liga ist nach acht Spieltagen so offen wie seit Jahren nicht. Der Sechste, der kleine Verein Deportivo Alavés aus der baskischen Hauptstadt Vitoria, der am Sonnabend Real Madrid mit 1:0 bezwungen hatte, liegt gerade mal zwei Punkte hinter dem neuen Tabellenfü­hrer FC Sevilla. Die Andalusier haben mit 16 Punkten einen Zähler Vorsprung auf den FC Barcelona und Atlético Madrid. Selbst Real Madrid – seit Wochen torlos – ist als Vierter mit 14 Punkten noch in Schlagdist­anz.

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Foto: imago/Ivan Arlandis Valencia feiert: Ein Tor gegen den FC Barcelona ist für die meisten Fans auch ein politische­r Sieg.

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