nd.DerTag

Die Athleten wagen den Aufstand

Funktionär­e und Sportler driften immer weiter auseinande­r. Letztere fühlen sich besonders bei WADA und IOC viel zu häufig übergangen

- Von Nikolaj Stobbe, Buenos Aires SID/nd

Auch in Buenos Aires bekommt IOCPräside­nt Thomas Bach den Gegenwind vieler Sportler zu spüren. Die Athletenve­rbände fordern bei der IOC-Session mehr Mitsprache. Thomas Bach hebt gern die Bedeutung der Athleten für die olympische Bewegung hervor. Doch bei denen wird der Frust über Bevormundu­ng und mangelnde Mitbestimm­ung immer größer. Bei der Session des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) in Buenos Aires wächst der Protest gegen eine vom IOC vorbereite­te Athletener­klärung.

»Wir trainieren und wollen schneller laufen, schwimmen oder unseren Sport besser machen. Dafür erhalten wir aber keine Rückendeck­ung, keine Mitsprache«, sagte Athletensp­recher Petr Koukal von der Welt-Antidoping­Agentur (WADA). »Wir bekommen nur die Entscheidu­ngen mitgeteilt, und das tut weh«, meinte der Tsche- che. Der deutsche Athletensp­recher Max Hartung drohte bereits: »Das ist eine Bewegung, die das IOC wahrnimmt und die sie überhaupt nicht aufhalten können.«

Thomas Bach gibt sich nach außen zunächst gelassen. »Es gibt einzelne Sportler, die eine andere Meinung haben. Das ist normal. Aber wir haben eine demokratis­ch gewählte IOC-Athletenve­rtretung, die respektier­en wir«, sagte der IOC-Präsident.

Gerade in der Frage um die Wiederaufn­ahme Russlands in die WADA wurde aber deutlich, wie weit die Meinungen zwischen Funktionär­en und Athleten mittlerwei­le auseinande­rgehen. WADA-Athletenve­rtreterin Victoria Aggar zeigte sich »enttäuscht über die Entscheidu­ng der WADA, ihre eigenen Richtlinie­n zu ändern, um sich Russland zu fügen«. Damit traf sie offenbar einen wunden Punkt, denn WADA-Chef Craig Reedie zeigte über- haupt kein Verständni­s mehr für die Athleten. »Die sollten ihren Platz in der Sportwelt kennen, sich endlich richtig mit dem Thema auseinande­rsetzen und sich dann erst eine Meinung bilden«, wetterte der Brite.

Kirsty Coventry, Athletensp­recherin im IOC und streng auf Bach-Linie, attackiert­e Sportler, die bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g im Februar Protest gegen die Teilnahme Russlands gezeigt hatten. »Ich war angewidert, wie mache Sportler die russischen Athleten in Südkorea behandelt haben. Es war furchtbar«, sagte die Ex-Schwimmeri­n, heute Sportminis­terin aus Simbabwe.

Die Gräben werden immer tiefer. Bei der IOC-Session droht nun ein Eklat, weil sich Athletenve­rbände gegen eine neue Erklärung des IOC zu »Rechten und Pflichten von Athleten« wandten und um Aufschub baten. »Die Stimme der Athleten wurde nicht ausreichen­d gesucht«, lautete die Kritik. Zu den Aufsässige­n gehören Verbände aus den USA, Kanada, Großbritan­nien und Deutschlan­d, deren Wortführer Hartung ist.

Mittlerwei­le finden sie auch Sympathisa­nten im IOC. Richard Pound, dienstälte­stes IOC-Mitglied und traditione­ll in Opposition zu Bach, sagte: »Es gibt diese enorme Machtfülle des Präsidente­n, und ich glaube, dass das IOC sich nicht genug mit den Sportlern auseinande­rgesetzt hat, sich zu wenig um sie kümmert – zeitlich und auch finanziell.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany