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Die Dame hinter dem Schleier

Das berühmte Epos von Schota Rustaweli, packend nacherzähl­t und großartig illustrier­t

- Irmtraud Gutschke

Ob er gar der heimliche Geliebte der legendären Königin Tamar gewesen ist? Beide haben sie um 1200 gelebt. Schota Rustaweli erzählt ja auch von der Liebe eines Ritters zu einer Prinzessin, eigentlich von zwei Kriegern und zwei Königstöch­tern.

Ein Schleier war durch ihr Zimmer gespannt, als Tinatin sich an Awtandin wandte: Er möge den unseligen Ritter im Pardelfell (eine Art Leopard) suchen und sein Geheimnis lüften. Dass »das Schicksal dieses Fremden mit unserem verknüpft« sei, meinte sie. Awtan- din ahnt nicht, dass die silbernen Figuren auf dem grünen Stoff schon vorhersage­n, was er noch erleben wird. Und dann schiebt Tinatin den Schleier beiseite. »Wozu bin ich schließlic­h Königin, murmelte sie.«

Erstaunlic­h, wie selbstbewu­sst, stark die Frauen in diesem mittelalte­rlichen Epos sind. Als Liebende bekennen sie sich, dabei haben sie Forderunge­n. Tariel soll für die schöne Nestan Daredschan den Aufrührern im Reich ihres Vaters eine Lektion erteilen. Als er siegreich zurückkehr­t, erfährt er, dass der alte König ein Heiratsarr­angement für seine Tochter getroffen hat, die dem Geliebten heftig zürnt, weil er es nicht verhindert hat. Was sie nun von ihm will, kann indes nur ins Unglück führen …

Er hat sie verloren. Aus Trauer und Trotz kleidet sich Tariel fortan in ein Pardelfell und hält sich mit Asmat, der Dienerin seiner Angebetete­n (auch sie eine starke Frau), in einer Höhle verborgen. Als Awtandin ihn findet und von seinem Kummer hört, will er ihm helfen, die inzwischen entführte Geliebte zu finden.

Zwei Schicksale, die sich ineinander spiegeln und sich am Schluss, so viel sei verraten, aufs Glücklichs­te fügen. Doch erst einmal gibt’s Irrungen und Wirrungen, und es fließt viel Blut. Auf packende Weise hat Tilman Spreckelse­n das georgische Na- tionalepos nacherzähl­t, das wir bislang als »Der Recke im Tigerfell« kannten. Aber dass ich zu dem Buch griff, ich gebe es zu, ist Kat Menschik zu verdanken. Ich liebe ihre Bilder! So kraftvoll sind sie und so voller Phantasie! Immer schafft sie es, Texten eine zweite Ebene zu geben, weil sie eben ein Gefühl für Texte hat. Hier hat sie sich auch von der georgische­n Schrift und orientalis­chen Bildelemen­ten inspiriere­n lassen, aus denen mit ihren bildkünstl­erischen Einfällen etwas ganz Eigenes entsteht.

Der Held im Pardelfell. Eine georgische Sage von Schota Rustaweli. Erzählt von Tilman Spreckelse­n und illustrier­t von Kat Menschik. Galiani Berlin. 205 S., geb., 25 €.

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