Post vom Tanzbär
»Der Kunst zu dienen« – nachgelassene Briefe von Eberhard Esche
Der Schutzumschlag schützt nicht, er legt offen. Und zwar just das, was Eberhard Esche im Innern des Buches gesteht: Auch die Bescheidenheit sei eitel. So heißt dieser Band zwar »Der Kunst zu dienen«, aber das Cover-Foto zeigt den Autor herrscherlich auf güldenem Stuhl sitzend, einem Throne sehr ähnlich. Es sieht nach Bühnenmitte aus. Was sonst?
Esche (1933-2006) war legendärer Protagonist am Deutschen Theater Berlin. Eines Tages hatte er das Empfinden, nicht mehr in Dichters Werken zu stehen, sondern in Konzeptionen, die biegen und brechen. So wurde er ein fröhlich-böser Draußenbleiber. Konzentrierte sich auf (ebenfalls legendäre) Goethe- und Heine-Soli – und schrieb. Das sei besser, sagte er mal, »als Marienkäferchen das Schielen beizubringen«. Es entstanden erfolgreiche Bücher. Nun gab Tochter Esther Esche Briefe aus dem Nachlass heraus, Antworten auf Post »einer Theaterenthusiastin«.
Er schreibt, als spielte er – gegen alle Schulen der Geläufigkeit. Wer die Kunst Esches lieben wollte, musste stets auch dies lieben: gepflegte Maniriertheit, arroganten SchärfeSchimmer. Es ist der Schimmer auch dieses Buches. Im Schauspieler sieht Esche einen »Tanzbär«, die meisten Intendantenwechsel hat er als »Pflaumen- tauschen« erlebt. Er schreibt über »schöne Frühstücksmomente«, ist Stadtführer durch Berlin und Gärtner aus Liebe. Den Sozialismus verteidigt er als »große Sache«, zürnt gegen die »Brutalität der Marktgesetze«. Freiheit? Es gibt für ihn nur die »freien Tage der Fremdbestimmung«.
Jeder wahre Künstler fürchtet die Gesellschaft der Toten. Und beschwört sie doch! Weil die Qualität der Einstigen fahrlässige Entspanntheit verhindert. Die Mittleren haben Angst, dass die großen Toten noch leben könnten – den Mäßigen ist Tradition ein drohendes Gespenst. Esche nicht, er erbt mit Leidenschaft. Nur so wird aus einem scheinbaren Gespenst etwas bleibend Gegenwärtiges. Namen, die das Buch mitprägen: Wolfgang Langhoff, Peter Hacks, Herwart Grosse, Dieter Franke.
Spiel? »Meine Parteinahme für das Gute, Edle, Wahre und Schöne.« Hoch hinauf, weit hinaus, tief hinein. Esche als Behauptungskräftiger, der seinen Hart- und Herzkopf verletzlich für ein Theater hinhält, das er liebt. Was man liebt, liegt immer weit zurück. Schafft aber, wie man hier lesen kann, aus gestorbener Zeit heraus – akute Bücher von morgen. Esche geht vom Häuslichen aus und verbreitet sich – Goethe! – intelligent in die Welt. Kommt immer wieder bei sich an. Ein SchreibTriathlon: Weltall-ErdeMensch. Der Mann geht einem mit seiner Ungebrochenheit auf den Geist. Aber so nur spürt man den. Esche freilich geht nicht. Er tritt. Nicht zu, sondern auf. Hat festen Boden unter den Füßen und hört nicht auf, den zu Bühnenbrettern zu zimmern. Sie halten. Schön, wie sie manchmal auch knarren.
Eberhard Esche: Der Kunst zu dienen. Briefe an eine Theaterenthusiastin. Hg. v. Esther Esche. Eulenspiegel Verlag, 128 S., geb., 12,99 €.