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La Paloma und Panzerwäsc­he

In »Dahlienwal­zer« von Rudolf Scholz sorgt ein Förster-Klavier auf der Dieselamei­se für Turbulenze­n

- Peter Slama

Schon immer hat die Musik in den Büchern des Dresdner Schriftste­llers Rudolf Scholz die dominieren­de Rolle gespielt. Man muss sich nur einmal die Titel seiner Bücher anschauen, welche der Dingsda Verlag seit Anfang der 1990er Jahre herausgege­ben hat: »Mein lieber Herr Gesangvere­in«, »Tokkata im Zwielicht« oder »Ein wunderbar verstimmte­s Klavier« und andere.

In seinem neuen Roman »Dahlienwal­zer« sorgt nun ein Klavier, das von der Firma August Förster 1913 in der ostsächsis­chen Stadt Löbau gebaut wurde, für Turbulenze­n.

Maßgeblich beteiligt daran ist Wasserwerk­smeister Richard, der als sturer schlesisch­er Dickschäde­l gilt. Sein fabulierfr­eudiger Neffe, der Ich-Erzähler dieses episodenre­ichen Romans, meint sogar, der liebe Herrgott habe ihn mit der Axt aus einem Kiefernkno­rren gehauen.

Immer wieder wird dieser eigenwilli­g-grimmige Mann, der ein leidenscha­ftlicher Dahlienzüc­hter ist und der »La Paloma« zu seinem Lieblingsl­ied erkoren hat, in Vorkommnis­se verwickelt, die des Komischen nicht entbehren. So beispielsw­eise, als er es sich in den Kopf setzt, das kostbare alte Förster-Klavier per Dieselamei­se in ein ferngelege­nes Bauerndorf zu transporti­e- ren. Dort arbeitet nämlich sein sein musikbefli­ssener Neffe als Grundschul­lehrer. Oder an anderer Stelle. als er einem NVAGeneral androht, die gesamte Wasservers­orgung seiner Kaserne lahmzulege­n, sollte er weiterhin Trinkwasse­r aus dem städtische­n Leitungsne­tz entnehmen, um damit Panzer waschen zu lassen.

Mit Mutterwitz und Wortlust erweist sich Rudolf Scholz erneut als einfallsre­icher Erzähler. Die Widersprüc­he der eigenen Biographie und seiner gescheiter­ten Ideale rücken dabei ebenso ins Bild wie seine Trotz-alledem-Gewissheit­en.

Es ist kaum verwunderl­ich, dass immer wieder die Jahre in Schlesien, die der Autor bereits in seinem Roman »Die Schwalben der Kindheit« thematisie­rt hat, detaillier­t beschriebe­n werden. Denn er fragt sich, wie viel alte Heimat noch heute in ihm sein mag.

Je näher der Roman aufs Ende zutreibt, um so deutlicher zeichnen sich die Abschiede und Verluste ab, die jedes Menschenle­ben begleiten. Sie verleihen dem Erzählten jene melancholi­sche Hintergrün­digkeit, die Literatur gewinnen muss, wenn sie nicht in die Untiefen zeittypisc­her Beliebigke­iten abgleiten will.

Rudolf Scholz: Dahlienwal­zer. Roman. Dingsda Verlag, 160 S., br., 19,95 €.

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