Auf der Flucht vor den Bitcoin-Gegnern
Lisa Graf und Ottmar Neuburger setzen sich in ihrem neuen Krimi für ein alternatives Geldsystem ein
»Kill Satoshi Nakamoto!« Es ist immer blöd, Leute beim Aushecken von kriminellen Plänen zu belauschen und dabei bemerkt zu werden. Aber wenn diese nicht etwa eine kleine Gangstertruppe vom Schlag der Olsen-Bande sind, sondern ganz finstere Mächte mit internationalem Wirkungskreis, dann wird es richtig brenzlig. Diese lassen sich auch nicht mit der Ausrede besänftigen, man habe den Inhalt des Auftrags ja gar nicht verstanden.
Für Noah, Barmixer aus Leidenschaft mit einem Hang zur Weltverbesserung und notorisch unterbezahlt, ändert sich das Leben quasi von einer Minute auf die andere. Auf dem Nachhau- seweg in einer dunklen Ecke einer Nebenstraße in Berlin-Friedrichshain hört er jene Worte, mit denen er zunächst nichts anfangen kann: »Kill Satoshi Nakamoto!« Dass es sich hierbei um eine todernste Angelegenheit handelt, wird ihm erst später bewusst, als er von einem Mord an einem Japaner erfährt und bemerkt, dass er von einem ihm unbekannten Mann verfolgt wird. Nur gut, dass es die Rigaer Straße gibt, wo Noah die Gunst der Demonstrationsstunde nutzt und entkommt, in dem er seinen Verfolger den protestierenden Hausbesetzern als Polizeispitzel präsentiert.
Trotz dieser Finte: Noah kann sein altes Leben nicht fortführen – er muss untertauchen und sogar das Land verlassen. Die Bedeutung der Ereignisse, in die er sich wider Willens verstrickt, wird ihm bewusst, als er von zwei Computernerd-Bekannten darüber aufgeklärt wird, wer Satoshi Nakamoto eigentlich ist: der ominöse Erfinder des Bitcoin, der seine Identität hinter diesem Pseudonym versteckt. Ihn würden viele Leute gerne ausfindig machen – seine Fans, aber vor allem auch Mächte, die den Aufschwung eines alternativen, von staatlichen Stellen und Banken abgeschirmten digitalen Geldsystems unbedingt verhindern wollen. Auf seiner Flucht durch mehrere Länder, bei der auch ein Mord geschieht, lernt Noah – und mithin ihm die Leserin, der Leser – vieles über die Vorteile der Verschlüsselung des Kommunikations- und des Geldverkehrs. Und nicht nur das: In einem spanischen Kloster nahe des Jakobsweges entdeckt er zudem ein bankensprengendes Geheimnis aus der Zeit Fuggers. Und ein Freund weiht ihn in die Erkenntnis ein, dass alle Menschen Teil eines großen Computerprogramms Außerirdischer sind.
»Noahs Flucht hat etwas mit einer Pilgerfahrt zu tun. Er muss zu sich selbst finden, agieren, statt nur zu reagieren, und seinen Platz im Leben finden«, begründet Autorin Lisa Graf, warum die Handlung zeitweilig auf dem in der Literatur schon etwas abgedroschenen Jakobsweg spielt. Erneut hat die in der niederbayrischen Provinz lebende, auf Verfolgungsjagden spezialisierte Krimiautorin ein Buch zusammen mit ihrem Lebensgefährten Ottmar Neuburger geschrieben. Er war insbesondere für das finanztechnische und das IT-Verständnis zuständig. Immerhin ist Neuburger selbst Fan: »Bitcoin und die ihm zugrunde liegende Blockchain-Technologie wird alles verändern, nicht nur den Finanzsektor, auch unsere Ge- sellschaften«, meint er überschwänglich. Der frühere Software-Unternehmer betreibt auch einen Blog, in dem man per Video in 2.41 Minuten Bitcoin erklärt bekommt und kostenlos den Umgang mit dem Digitalgeld erlernen kann. Und er tritt schon mal bei Aktivistentreffen in der Geldstadt Frankfurt als »Key-Note-Speaker« auf.
Die Verstrickung in die Bitcoin-Szene ist vielleicht das Problem dieses Krimis. Die durchaus berechtigte Kritik am Kryptogeld findet hier keinen Platz. Aber natürlich ist dieses Buch auch keine Abhandlung über Alternativwährungen, sondern durchaus kurzweilige Fiktion.
Lisa Graf/ Ottmar Neuburger: Kill Mr. Bitcoin. Thriller. Emons Verlag, 352 S., br., 14,95 €.